„Aber ach! Wie schrecklich ist des Krieges Bild!
Flammende Städte, und zu Steinhaufen nieder getrümmert!
Verheerte Länder, in welchen die Dörfer von Menschen leer… Thränende Augen!
Blutende Wunden! verstümmelte Glieder zu Tausenden! …
Gemißhandelte, Barbarisch Gemißhandelte!
Geplündert und nackend gemachte zu Tausenden! …
Was düncket uns bey dem Anblick dieses Schauplatzes unserer Zeiten?
Es sind doch keine Bilder ohne Wesen.
Es sind von uns selbst erlebte Begebenheiten, unser Auge hat sie gesehen.
Unser Ohr hat sie gehöret.“
Der Bäckermeister Abelmann aus Hannover
kurz nach dem Siebenjährigen Krieg.
(Quelle /1/).
Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) fanden die Schlachten nicht nur in Europa statt – sie wurden auch in Nordamerika, Indien, in der Karibik und auf den Weltmeeren ausgetragen. Eigentlich war dieser Krieg fast ein Weltkrieg, allerdings waren nicht alle der beteiligten Parteien global tätig. Die Kriegsparteien bestanden aus den Alliierten des Vertrages von Versailles auf der einen und der Konvention von Westminster auf der anderen Seite. Preußen – unter der Regentschaft Friedrichs des Großen – ging als europäische Großmacht aus diesem Krieg hervor.
Kriege waren immer eine schwere Last für die Menschen. Sie wurden früher und werden bis heute von den Regierenden um ihrer eigenen Interessen wegen angezettelt. Wechselnde Koalitionen waren in historischer Zeit – zumal im territorial heillos zersplitterten Mitteldeutschland des 18. Jahrhunderts – noch mehr als heute an der Tagesordnung. Kriegserklärung und Waffenbruderschaft konnten damals täglich wechseln.
Die Untertanen hatten für den jeweils herrschenden Machtblock als Soldaten ihre Knochen hinzuhalten oder zumindest materiell zum Krieg beizutragen. Von den Bürden des Siebenjährigen Krieges für die Menschen im Unterharz – er war der erste globale Krieg der Weltgeschichte – handelt dieser Artikel. Friedrich der Große – auch Fridericus Rex genannt – wurde bald nach seinem Amtsantritt für die nicht minder kriegslustigen und auf territoriale Ausdehnung bedachten Potentaten der umliegenden Staaten zu einem unberechenbaren Herrscher.
Friedrich II. eroberte Schlesien von Österreich und sorgte damit damit für noch mehr Konfusion im europäischen Machtgefüge jener Zeit. Russland unter der Zarin Elisabeth hatte Pläne, ihr Reich mit Semgallen und Kurland (heute beide Teil von Lettland) nach Westen zu erweitern. Da beide unter polnischer Hoheit standen, wollte sie Polen dafür mit Ostpreußen entschädigen. Die Österreichische Kaiserin Maria Theresia wollte Schlesien zurück. Auch die anderen Großmächte wie Frankreich und England hatten eigene Interessen, die sich auch auf die Kolonien in Nordamerika bezogen, abgesehen davon, dass der englische König Georg II. auch Kurfürst von Hannover war…
Wie man sieht, gab es ein regelrechtes Chaos in Bezug auf Machtbefugnisse und Interessen. Die Untertanen hatten das auszubaden und niemand half ihnen. Für den Unterharz war der Siebenjährige Krieg besonders schlimm, denn die Grafschaft Mansfeld gehörte zu einem Teil zu Sachsen und zu einem anderen Teil zu Preußen. Ein Teil des Harzes gehörte zudem zum Herzogtum Anhalt. Besonders mitgenommen wurden die Dörfer des Unterharzes vor der Schlacht bei Rossbach am 5. November 1757. Die Truppen, die den Unterharz regelrecht heimsuchten, wechselten häufig. Rossbach liegt unweit von Merseburg und damit auch in für die damalige Zeit greifbarer Entfernung.
Am 17. Januar wurde Preußen der Reichskrieg erklärt, da es am 25. August 1756 ohne eine Kriegserklärung die Grenze von Sachsen überschritt und Teile des Landes besetzte. Die Schlacht bei Lobositz am 1. Oktober 1756 endete mit einer Kapitulation der Sachsen am 16. Oktober. Die überlebenden Soldaten wurden in die preußische Armee gepresst.
Den Preußen gelang zwar die vorübergehende Besetzung Sachsens, aber auch nicht mehr. Viele der gepressten sächsischen Soldaten desertierten bei der ersten Gelegenheit. Nach zeitgenössischen Aufzeichnungen des Pfarrchronisten Götze aus Friesdorf traf am 17 Januar 1757 mitten im sächsischen Teil der Grafschaft Mansfeld ein preußisches Exekutionskommando von 20 Mann, darunter ein Leutnant und ein Tambour ein, um unter der Bevölkerung Rekruten in die preußische Armee zu pressen.
Die Menschen im Harz hatten offenbar wenig Lust, freiwillig ihre Haut auf die Schlachtbank europäischer Kriege zu tragen, denn es muss bald zu Ausschreitungen gegen die preußischen Werber gekommen sein. Es gab eine Untersuchungskommission gegen den Wirt der Klaus, das von einem preußischen Major geleitet wurde. Der Wirt kam ungeschoren davon, weil ihm nichts nachzuweisen war.
Angeblich hatte der Amtmann Scherell des sächsischen Amtes Rammelburg seine Hände im Spiel und soll den Wirt zu der Prügelei angestiftet haben. Ruhe zu halten war offenbar das Gebot der Stunde für die Bevölkerung: Am 28. Juli 1757 tauchte in der Flur von Wippra eine Kompanie österreichischer Husaren auf, die jedoch gegen Abend wieder in Richtung Süden verschwanden. Das sächsische Wippra wurde von ihnen in Ruhe gelassen. Das preußisch verwaltete Dorf Dankerode hingegen wurde durch die Reichstruppen geplündert.
Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass sich Bauern auch als Informanten für die durchziehenden Armeen betätigten. Wurden diese Informanten von den Vögten des Landesherren entdeckt, kam es zu harten Strafen. Ein Zeitzeuge, allerdings aus dem fernen Hameln, berichtete: „Unsere eigne Landes-Kinder wurden bey denen Franzosen Verrähter, Spionen, und Spitzbuben; wie denn der Herzog Ferdinand 14 derselben in dem folgenden Jahre nach Hameln zum Karrenschieben geschickt hat.“ (Quelle /1/).
Die durchziehenden Armeen dagegen planten diese Informanten fest ein: „Da in fremden Gegenden nötig ist, dass man in Ermangelung guter Carten, Leute die des Landes kündig sind, als Amts- und Dorfbediente,… Fleischer, Postboten usw. zu Rathe zu ziehen, so müssten … 10. dergleichen Boten gehalten und mit Veränderung der Gegenden zugleich verwechselt […].“ (Quelle /1/). Außerdem kam es, wie an späterer Stelle noch zu lesen wird, zu gewissen geselligen Kontakten zwischen der Oberschicht und Offizieren der durchziehenden Armeen – auch der feindlichen ((Die militärischen Eliten jener Zeit hatten ohnehin keine Berührungsängste. Ein gutes Beispiel sind die Grafen von Mansfeld, die sich fremden Herren andingten und auch im Ausland eine militärische Karriere machten. Es kam nicht selten vor, dass sich enge Verwandte auf den Schlachtfeldern in verfeindeten Fronten gegenüberstanden.)).
Am 17. September 1757 ließen sich französische Husaren in Königerode blicken. Nur einen Tag später waren Preußen in Rammelburg, zogen sich aber wegen des Vorrückens österreichischer Soldaten wieder zurück. Am 20. Oktober 1757 zogen etwa 2.000 französische Söldner vom Oberharz über die heutige Klausstraße oder Harzhochstraße in Richtung Mansfeld. Dem großen Trupp folgte am folgenden Tag noch eine Nachhut von 100 Mann. Am 21. Oktober 1757 quartierten sich 50 Franzosen kurzzeitig in Wippra ein.
Zur gleichen Zeit waren noch mehrere tausend Franzosen in Mansfeld und Leimbach stationiert. Gegenüber Preußen hatten in der Schlacht bei Roßbach weder Reichsarmee noch Franzosen etwas entgegenzusetzen. Unser Chronist Götze schrieb über die Schlacht bei Roßbach: „Die Reichsarmee (Auch Sachsen als Oberlehnsherr gehörte dazu! Anmerkung des Autors.) habe sich sehr schlecht gehalten und gemacht, daß die Franzosen in Unordnung geraten und überwunden worden.“ (Quelle /2/).
Gerade die französischen Soldaten galten als Musterbeispiel einer Besatzungsmacht, auch wenn die einfache Bevölkerung nicht der französischen Sprache mächtig war, wie ein Regimentsarzt aus Wolfenbüttel bemerkte: „Jeder … hatte anfangs eine große Furcht vor den Franzosen, weil diese Nation bey uns unbekannt war, aber wir fanden bald, dass es freundschaftliche Menschen waren, sie hielten stets die beste Ordnung und Mannszucht, das übelste war, daß man nicht mit sie sprechen konnte.“ (Quelle /2/).
Dennoch erhob gerade die französische Armee übertrieben hohe Kontributionsforderungen, unter denen die zumeist bäuerlich geprägte Bevölkerung des Unterharzes schwer zu leiden hatte. Dazu kam, dass insbesondere die sehr beweglichen „leichten Verbände“ – wie etwa Husaren und Jäger – aller Kriegsparteien requirierten, was immer ihnen nützlich erschien.
Am 1. Dezember 1757 wurde vom Amt Rammelburg eine Futterlieferung von 4.000 Metzen Hafer (nach sächsischer Notation etwa 26.000 Liter) eingefordert. In diesem Fall hatten die Bürger nochmal Glück, denn der Vollzug dieser Lieferung ging wegen einer Verpfändung an das Haus Hannover in den Kriegswirren unter. Aber es wurden weitere, nicht näher benannte, Lieferungen von Rekruten und Naturalien fällig.
Auch wenn in den Quellen über den Siebenjährigen Krieg heute keine genauen Daten über die Lieferungen an die Kriegsparteien mehr nachvollziehbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere die durchziehenden und einquartierten Truppen eine erhebliche Belastung für die Gemeinden des Unterharzes darstellten. Die Soldaten, insbesondere wenn sie nicht durch Offiziere geführt wurden, haben in den Wirtshäusern und Pfarren ohne Entgelt gezecht und auch Bauernhäuser nicht geschont.
Lassen wir abschließend noch einen berufenen Zeitzeugen – den Pfarrchronisten Rhäsa aus Wippra – zu Wort kommen: „In dem 7te halbjährigen Kriege von 1756/63 sind sowohl ganze Kommandos als auch fast täglich einzelne Korporalschaften, sonderlich von den preußischen Freibattaillons durchgezogen, wobei die die Einwohner oft sehr hart mit Lieferung, auch Arretierung und Schlägen mitgenommen worden. Das erste Kommando war ein französisches von 42 Mann Dragoner, die Blechkappen genannt. welche von der Armee des Marschalls von Richelieu, der bei Halberstadt stund, zum Recognoscieren hindurch nach Sangerhausen ritten, davon die Offiziers, 7 Personen mit ihren Bedienten und Pferden in die Pfarrwohnung einquartierten, doch ganz ordentlich sich bezeigten und nach genossener Mahlzeit abritten. Dieses war zu Anfang des Oktobers 1757. Die letzte Einquartierung war nach dem Friedensschlusse am Himmelfahrtsfeste 1763 von 5 Kolonnen ausgewechselten Preußen, die aus Franken kamen, deren eine hier eine Nacht blieb, die anderen auf den Amtsdörfern.“ (Quelle /2/).
Quellenangabe:
/1/ Daniel, U., Krumeich, G.:
„Frankreich und Deutschland im Krieg (18.-20. Jahrhundert):
Zur Kulturgeschichte der europäischen ‚Erbfeindschaft‘ (chronologische Darstellung)“
Ein gemeinsames Forschungsprojekt
der Historischen Seminare der TU Braunschweig und der HHU Düsseldorf, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2001-2004)
/2/ Schotte, H.:
„Rammelburger Chronik“
Verlag Steffen Iffland Nordhausen
2. Auflage 2006
ISBN 3-9808937-6-6