Die Vorbereitungen zum Fest
Erste Planungen für die Jubelfeier
In den ersten Monaten des Jahres 1900 wurde seitens der MANSFELDSCHEN KUPFERSCHIEFERBAUENDEN GEWERKSCHAFT der Beschluss gefasst, das 700-jährige Bestehen des Kupferschieferbergbaues und des Hüttenwesens feierlich zu begehen. An den Feierlichkeiten sollten nach dem Willen der Deputierten der Gewerkschaft auch Kaiser Wilhelm II von Preußen und seine Frau Auguste Viktoria teilnehmen. Kaiser Wilhelm II. hatte sehr konservative Ansichten bezüglich der Monarchie, und so verbot sich wegen der nach wie vor herrschenden Standesschranken eine direkte Kontaktaufnahme der Mansfeldschen Gewerkschaft mit seiner Majestät.
Der Deputierte Graf von Hohenthal musste sich daher – trotz seiner Stellung als Adeliger – erst umständlich mit dem Oberhofmarschallamt unter der Leitung des Grafen Eulenburg ((Philipp Friedrich Alexander Fürst zu Eulenburg und Hertefeld war einer der engsten Vertrauten von Kaiser Wilhelm II. Philipp Eulenburg war der preußischen Monarchie bedingungslos ergeben und hatte beste Beziehungen zur damaligen Elite, zum Beispiel auch zur Familie von Bismarck. Andererseits war er außenpolitisch sehr friedfertig, was ihn in Konflikt zur offiziellen Außenpolitik des Reiches brachte und ihm zum Ruf eines Weichlings eintrug. Mit Wilhelm II. verband ihn eine sehr enge Freundschaft, die von einigen Historikern als homoerotisch bezeichnet wurde. Diese Freundschaft wurde Eulenburg unter anderem zum persönlichen Verhängnis. Im Oktober 1906 verbreitete der Publizist Maximilian Harden in mehreren Artikeln das Gerücht, dass Eulenburg homosexuell sei. Weil Homosexualität damals strafbar war, kam es zu mehreren Prozessen, die jedoch 1909 ausgesetzt wurden, da Eulenburgs Gesundheit stark angegriffen war. Letztlich führten die Prozesse zur gesellschaftlichen Ächtung und Eulenburg lebte isoliert und von seinen alten Freunden gemieden auf seinem Gut in Liebenberg. Eulenburg war verheiratet und hatte 8 Kinder.)) in Verbindung setzen. Das Oberhofmarschallamt beschied positiv und so wurde eine Einladung sowie ein Entwurf des Festprogramms verschickt – allerdings wieder nicht direkt an den Kaiser sondern an den Fürsten Eulenburg als Oberhofmarschall. Die Einladungen an weitere Gäste waren streng nach Rangordnung unterschiedlich formuliert, jedoch immer einem der damaligen Zeit entsprechendem hochachtungsvollen Ton.
Das Festprogramm für Kaiser Wilhelm wurde durch den Oberberg- und Hüttendirektor Eduard Schrader minutiös durchgeplant. Der Kaiser sollte nach der ersten Festplanung am 12. Juni 1900 um Punkt 10:00 Uhr vormittags mit dem Zug auf dem Bahnhof in Hettstedt ankommen. Er sollte durch hohe Deputierte der Gewerkschaft – unter ihnen Graf Hohenthal, Bergmeister Schrader, dem Berghauptmann, dem Regierungspräsidenten des Bezirkes Merseburg sowie den Landräten des Mansfelder Gebirgskreises und des Seekreises – empfangen werden.
Danach sollte Wilhelm II. mit seinem Gefolge und Vertretern der MAISFELDSCHEN KUPFERSCHIEFER BAUENDEN GEWERKSCHAFT über Burgörner zur Gottesbelohnungshütte – später KUPFER-SILBER-HÜTTE und heute weitgehend eine Industrieruine in der Nähe der MKM zwischen Hettstedt und Großörner – fahren und dort kurz einem Abguss von Silber zusehen. Danach war die Weiterfahrt über Großörner, Leimbach, Klostermansfeld, Helbra und Wimmelburg nach Eisleben geplant. Wilhelm II. hätte hier die Kernbetriebe der Gewerkschaft mit einem damals sicher beeindruckenden Grad an Industrialisierung gesehen. An allen Anlagen waren Ehrenwachen der MANSFELD geplant. Die Ankunft des Kaisers in Eisleben sollte um 11:30 Uhr sein.
Vor der Stadt Eisleben sollte der Kaiser durch Oberbürgermeister Welcker empfangen werden. Um 11:45 Uhr war die Ankunft des Zuges auf dem Markt der Lutherstadt geplant. Wilhelm II. sollte dort die Front der 2.000 aufgestellten Bergleute und Hüttenmänner abschreiten. Um 12:30 Uhr war ein kurzer Besuch im Sterbehaus des Reformators Dr. Martin Luther geplant. Anschließend sollte der Kaiser im Direktionshaus – einem ehemaligen Stadtschloss der Grafen von Mansfeld und zu DDR-Zeiten Sitz des VEB MANSFELD KOMBINAT WILHELM PIECK – einen Imbiss einnehmen und Produkte der gewerkschaftlichen Betriebe besichtigen.
Die Rückfahrt des Kaisers vom Bahnhof Eisleben war für 14:00 Uhr geplant. Damit hatte Bergmeister Schrader ein zeitlich sehr enges Programm vor, das aber auch Rücksicht auf die Untertanen seiner Majestät nahm. Sie hatten nämlich durch die Wahl der Route Gelegenheit, IHREN Kaiser zu sehen und diesem zuzujubeln. So kurios es heute klingen mag, aber selbst eingefleischte Sozialdemokraten waren im Prinzip kaisertreu und hatten auf jeden Fall ein Bild ihres Monarchen im Wohnzimmer. Diese Loyalitätsbekundungen in den Ortschaften waren von Schrader nicht geplant! Der kürzere Weg wäre zweifellos der von Hettstedt über Siersleben nach Eisleben gewesen.
Zu den Vorbereitungen gehörte auch, die Kosten für die Feierlichkeiten zu planen. Die gewerkschaftlichen Beamten sollten, soweit dies durch die betrieblichen Belange möglich war, an einem Festmal im Eisleber WIESENHAUS teilnehmen. Dort wurde ein Menü für 700 Leute bestellt, das inklusive des Weines, Bieres und der Zigarren auf etwa 20,- Mark pro Teilnehmer festgesetzt wurde. Für die Bewirtung der etwa 4.000 Berg- und Hüttenleute – 2.000 sollten während der Anreise seiner Majestät Spalier stehen und 2.000 an der Parade auf dem Markt teilnehmen – wurde 1,50 Mark pro Person als angemessen angesehen – das war für machen immerhin ein Schichtlohn.
Die Kostenplanung zu den Feierlichkeiten
Die Kosten für die Bewirtung des Kaisers konnte offenbar niemand abschätzen, man suchte daher den Kontakt zum Hoflieferanten BORGHARDT in Berlin. Es war offensichtlich nicht angedacht, Majestät mit regionalen Spezialitäten aus dem Mansfelder Land zu verwöhnen! Mit der Kontaktaufnahme zum Krämer in Berlin wurde niemand geringerer als Graf Hohenthal bestimmt! Weiterhin war zu klären, was die Dekoration des Marktes und der Straßen von Eisleben kosten würde. Zusätzlich sollte den spalier- und paradestehenden Leuten ein Normalschichtlohn ausgezahlt werden. Die aus dringenden Bedürfnissen der Schächte und Hütten heraus arbeitenden Leute sollten eine Zulage zu ihrem Schichtlohn bekommen.
Die finanziellen Aufwendungen für die Feierlichkeiten zum 700-jährigen Jubiläum des Mansfelder Kupferschieferbergbaues wurden insgesamt auf etwa 45.000,- Mark geschätzt. Nicht enthalten waren Ausbesserungsarbeiten am Straßenpflaster von Eisleben, der Druck von Festschriften oder der Anfertigung von Paradeuniformen der Hütten- und Bergleute sowie die Kosten im Falle der Stilllegung von Betriebsstätten für die Tage der Jubelfeier.
Kaiser Wilhelms Abneigung gegen Eisleben
Was Fürst zu Eulenburg in seiner Funktion als Oberhofmarschall allerdings nicht bedacht hatte, war eine alte und sehr tiefe Abneigung der Hohenzollern gegenüber der Stadt Eisleben. Die Angehörigen des preußischen Königshauses hatten im Jahre 1847 geschworen, niemals einen Fuß auf das Territorium der Stadt Eisleben zu setzen. Ursache waren die Unruhen des Jahres 1847, als hungernde Bürger der Stadt Eisleben den Abtransport von Getreide verhinderten und das begleitende Militärkommando mit Steinen beworfen hatten.
Eisleben verlor daraufhin seinen Status als Garnisonsstadt und mehr als 70 Eisleber wurden zu Haft- und Geldstrafen verurteilt. Was den Kaiser nach mehr als 50 Jahren zu seiner unnachgiebigen Haltung gebracht hat, ist nicht bekannt. Im April und Mai 1847 fanden schließlich in weiten Gebieten Deutschlands Hungerunruhen statt. Willhelm befand sich in einer Zwangslage: Einerseits wollte er Eisleben nicht besuchen, andererseits war er aber wegen seiner ehrgeizigen Rüstungspläne auf die Kupferprodukte und das Wohlwollen der MANSFELDSCHEN KUFERSCHIEFER BAUENDEN GEWERKSCHAFT abhängig – so wie auch von KRUPP im Ruhrgebiet.
Irgendjemand im Umfeld des Kaisers oder aber der Kaiser selbst fand schließlich einen eigentlich cleveren Kompromiss: Wilhelm würde die Jubelfeier in Eisleben besuchen, aber keinen eigenen Fuß auf das Pflaster der Stadt setzen. Da Wilhelm ein ausgezeichneter Reiter und überaus eitel war, sollte der gesamte Besuch seiner Majestät auf dem Rücken eines seiner Pferde stattfinden – und das zog er mit eiserner Disziplin durch! Er saß so hoch über der Parade und konnte seine Macht genießen. Die Vertreter der Stadt und damit auch die Bürger sollten seine ganze Verachtung spüren, ohne die Direktion des Unternehmens vor den Kopf zu stoßen.
Majestät ließ über Graf Hohenthal eines ganz deutlich werden: „Seiner Majestät allergnädigster Besuch gelte in allererster Linie der Mansfeld’schen Gewerkschaft; den Vertretern derselben werde deshalb der Empfang des allerhöchsten Gastes vor allen anderen Behörden einzuräumen sein; beim Empfang Seiner Majestät auf Bahnhof Eisleben müssen also die Wünsche besonders der Vertreter der städtischen Behörden unbedingt zurücktreten.“ So steht es im Protokoll der Beratung der Direktion der Gewerkschaft vom 23. Mai 1900 (Quelle /1/, S. 37).
Weitere Planungen für die Jubelfeier
Nachdem klar wurde, dass Kaiser Wilhelm nur zu einem Kurzbesuch und nur zur MANSFELDSCHEN KUPFERSCHIEFER BAUENDEN GEWERKSCHAFT kommen würde, musste das Besuchsprogramm von vier Stunden auf nur eine Stunde verkürzt werden. Zu diesem Zeitpunkt war noch niemandem in der Vorbereitungskommission klar, dass Kaiser Wilhelm II. unter keinen Umständen auch nur einen Fuß auf das städtische Pflaster zu setzen gedachte. Man ging fälschlicherweise immer noch davon aus, dass der Kaiser wenigstens das Sterbehaus Luthers ((Kaiser Wilhelm II. wird zu Martin Luther gewiss nicht die enge Beziehung gehabt haben, wie die Eisleber. Der Kaiser wurde in seiner Jugend streng calvinistisch erzogen.)) und das Direktionsgebäude der Gewerkschaft besichtigen würde.
Es war bekannt, das Kaiser Wilhelm direkt mit seinem Sonderzug auf dem Bahnhof Eisleben einfahren und nur in Eisleben weilen würde. Infolge dessen kam es zu Machtspielen zwischen dem Landrat des Mansfelder Seekreises – von Wedel – und dem Landrat des Mansfelder Gebirgskreises – von der Recke – der seine Interessen nun nicht mehr gebührend vertreten sah. Gleichzeitig musste der OB von Eisleben – Welcker – zur Kenntnis nehmen, dass die Wünsche von Magistrat und Stadtrat vollkommen außen vor waren und keinerlei Berücksichtigung mehr fanden. Auch die Vereine hatten kein Mitspracherecht mehr.
Da die Teilnahme des Kaisers am Silberguss in der Gottesbelohnungshütte definitiv abgesagt war, bemühte man sich um ein repräsentatives Muster, das im Direktionsgebäude aufgestellt werden sollte. Das Muster musste nach Ansicht der Kommission noch nachgearbeitet werden, wozu geeignetes Personal von seiner regulären Arbeit abgezogen wurde. Die Räume für die Ausstellung der Exponate wurden bestimmt und die Betriebsführer mit der Auswahl geeigneter Personen für die Parade und das Spalier beauftragt – wie immer, wenn Widerspruch oder Leck-mich-am-Arsch-Stimmung zu befürchten war oder ist.
Die Bewirtungskosten für die Beschäftigten der MANSFELDSCHEN KUPFERSCHIEFER BAUENDEN GEWERKSCHAFT wurden wie folgt festgesetzt:
- 4,- Mark für Beamte
- 3,- Mark für verheiratete Arbeiter
- 2,- Mark für unverheiratete Arbeiter
Dazu wurden jedem Beschäftigten zwei Feierschichten genehmigt.
Der Wille Seiner Majestät des Kaisers ist Gesetz!
Nachdem Bergmeister Schrader alles perfekt für den Besuch des Kaisers vorbereitet hatte, kamen am 29. Mai neue Instruktionen des Oberhofmarschallamtes bezüglich des Besuches Wilhelms II. am 12. Juni 1900 – nicht an den Bürgerlichen Schrader sondern ganz standesgemäß an den Adeligen Graf Hohenthal. Nach diesen Instruktionen beliebte der Kaiser sofort nach der Ankunft seines Sonderzuges auf sein mitgebrachtes Pferd zu steigen, unmittelbar darauf die Paradefront abzureiten, vor den Gästen der Jubelfeier eine Rede zu halten und danach den Ehrentrunk auf dem Rücken seines Pferdes einzunehmen. Danach wollte er unverzüglich zum Bahnhof zurückreiten und seinen Zug besteigen.
Fast alle Programmpunkte, so wie von Schrader geplant, waren gemäß Order des Kaisers entfallen. Die Kaiserin sollte in einer eigenen Kutsche zum Markt fahren und dort in einem Pavillon Ehrengäste empfangen. Für die Begleitpersonen Graf zu Eulenburg, Dr. von Lucanus, Freiherr von und zu Eggloffstein sowie Oberststabsarzt Freiherr Dr. von Illberg wurde Graf von Hohenthal höflich gebeten, vor Ort vier geeignete Kutschen samt Pferden zu besorgen. Diese fanden sich bei der Firma des Posthalters SIMON unmittelbar vor Ort, wobei Graf Hohenthal nach Berlin meldete, dass dieses Unternehmen für „ganz zuverlässige und sichere Pferde“ garantiere (Quelle /1/, S. 47). Weshalb die Begleiter des Kaisers nicht ebenfalls Reiten konnten oder wollten, ist nicht überliefert.
Die 700-Jahrfeier und der Besuch von Kaiser Wilhelm II.
Eisleben ist bereit für den Besuch Seiner Majestät
Nachdem Wilhelm II. seinen Besuch in Eisleben zugesagt hatte, liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Der Bahnhof der Lutherstadt wurde dekoriert und an seinem westlichen Giebel wurde eine prächtige Empfangs- und Durchgangshalle aufgebaut, die mit Palmen und anderen Pflanzen dekoriert wurde. Die Straßen, auf denen Wilhelm II. zum Markt reiten würde, wurden reich dekoriert, an der Einmündung der Querfurter Straße wurde eine Nachbildung eines Jagdschlosses aufgebaut. Die Geweihe als Schmuck des Schlosses stammten unter anderem aus der gewerkschaftlichen Oberförsterei Braunschwende nordwestlich von Eisleben an der Harzhochstraße. Wilhelm II. war schließlich als großer Nimrod bekannt!
Hier hatten die Forstbeamten und Forstarbeiter der MANSFELDSCHEN KUPFERSCHIEFER BAUENDEN GEWERKSCHAFT ihren Aufstellungsort. Jäger sollten dem Kaiser und seiner Gattin auf Jagdhörnern den Fürstengruß entgegenbringen. Weitere Skulpturen und Ehrenpforten zogen sich über die Bahnhofstraße und die Halleschesche Straße und die Lutherstraße bis zum Markt von Eisleben. Vor der Einmündung auf den Markt wurde die Nachbildung eines phantasievollen mittelalterlichen Stadttores mit dem Wappen der Grafen von Mansfeld aufgestellt. Die Häuser auf dem Markt waren mit Spruchbändern behängt.
Selbstverständlich wurde die ganze Parade einmal mit allen Beteiligten durchgeprobt – und zwar nicht etwa während der Arbeitszeit, sondern am Nachmittag des 10. Juni – einem Sonntag! Ob es dafür eine Aufwandsentschädigung gab, ist nicht bekannt. Auf dem Markt von Eisleben hielt der Berginvalide Gottlieb Krone aus Gerbstedt als Vorstand des REICHSDEUTSCHEN VERBANDES eine flammende Rede für die Gewerkschaft und das Kaiserreich und gegen die Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Sogar das Geläut der Glocken in allen Kirchen der beiden Mansfelder Kreises wurde geprobt.
Als Eskorte für Kaiser Wilhelm II. wurde aus Halberstadt die 2. Eskadron des KAVALERIEREGIMENTES VON SEYDLITZ nach Eisleben befohlen. Die 2. Eskadron traf am Montag, 11. Juni 1900 in der Lutherstadt ein. Eine Eskadron bestand aus 150 Reitern inklusive 5 Offizieren. Ob die Eskorte des Kaisers deshalb so umfangreich war, weil er ein bekennender Liebhaber von Uniformen, Pferden und Paraden war, oder ob er Unruhen der Bevölkerung fürchtete, ist nicht bekannt. Die Kürassiere hätten einen Aufstand schnell und wirksam unterdrücken können. Wahrscheinlich hätte aber allein schon das martialische Aussehen und der Ruf dieser Elitetruppe alle Ideen eines lokalen Aufruhrs schon im Keim erstickt ((Das KÜRASSIERREGIMENT VON SEYDLITZ hatte einen hervorragenden militärischen Ruf. Das Regiment ritt im Deutsch-Deutschen Krieg 1866 in der Schlacht bei Königgrätz und im Deutsch-Französichen Krieg 1871 in der Schlacht von Mars-la-Tour. Bis 1912 wurde auch im Feld – lange nicht mehr zeitgemäß – ein weißer Koller und weiße Stiefelhosen getragen. Die Offiziere hatten weiße Epauletten.)).
Polizeischutz und Verkehr
Zur Absicherung der allgemeinen Ordnung während des Kaiserbesuches in Eisleben wurde die Polizeitruppe der Stadt aufgeboten, die zusätzlich durch Gendarmen aus dem Umland verstärkt wurde. Der Kaiser wurde – wie bereits oben erwähnt – durch die extra kommandierte Zweite Eskadron des KÜRASSIERREGIMENTS VON SEYDLITZ besonders geschützt.
Zusätzlich wurden zwei Sanitätsstellen eingerichtet, die von der freiwilligen Sanitätskolonne der Lutherstadt betrieben wurden. Der öffentliche Verkehr wurde am Festtage auf dem Markt und den Feststraßen nur bis 10:00 Uhr morgens gestattet. Das bedingte auch die Stilllegung der elektrischen Kleinbahn, die mitten über den Markt fuhr. Nach 10:00 Uhr hatten nur noch Personen mit Passierscheinen oder Tickets für die Festtribünen Zutritt.
Die Aufstellung der Bergleute zum Kaiserbesuch
Die zur Parade- und Spalierbildung befohlenen Berg- und Hüttenleute sollten schon am Morgen des 12. Juni 1900 auf dem Markt von Eisleben eintreffen. Die Stadt hatte für die damalige Zeit eine hervorragende Anbindung an das Umland. Neben der Bahnstation an der Eisenbahnlinie Halle – Sangerhausen – Kassel gab es eine elektrische Bahn von von Hettstedt über die Grunddörfer mach Eisleben. Die Berg- und Hüttenleute wurden an mehreren zentralen Sammelstellen aufgestellt und marschierten von dort aus auf die ihnen zugedachten Stellplätze in der Lutherstadt.
Insgesamt wurden entlang der Feststraße vom Bahnhof Eisleben zum Markt fast 5.400 Berg- und Hüttenleute aufgestellt. Auf dem Markt waren es noch einmal über 1.400. Dazu kamen 400 Treckejungen, 100 Ordner aus den Reihen der Bergleute und 162 Berginvaliden. Für die Ehrengäste und die Ehefrauen gewerkschaftlicher Beamter waren 5 Tribünen mit 430 Sitzplätzen aufgestellt. Sie befanden sich auf dem Markt, der Landwehr und der Oberen Parkstraße. Die Spalierbildung war mit preußischer Pünktlichkeit um 11:00 Uhr abgeschlossen.
Die Aufstellung der Schulen zum Kaiserbesuch
Zum Besuch des Kaisers wurden auch insgesamt etwa 5.800 Schüler und Schülerinnen aufgeboten. Die meisten kamen aus Eisleben, aber ein kleiner Teil auch aus den umliegenden Orten. Die Kinder wurden auf Tribünen platziert, so dass sie auf jeden Fall Gelegenheit hatten, Kaiser Wilhelm II. und die Kaiserin Auguste-Viktoria zu sehen. Über die die Teilnehmer des Schulen der Stadt Eisleben und des Mansfelder Seekreises ist eine umfangreiche Statistik erhalten geblieben.
Schule | Personen | Art | Standort |
Gymnasium | 193 | Gymnasiasten | Bürgersteig am Markt |
Realschule | 226 | Realschüler | Jüdenhof bis Burgtor |
Bergschule | 92 | Bergschüler | Alte Waage |
I. Bürgerschule | 92 | Jungen | Münzgasse |
I. Bürgerschule | 180 | Jungen | Gewerkenhaus |
I. Bürgerschule | 388 | Mädchen | Rathaustreppe |
II. Bürgerschule | 473 | Mädchen | Rathaustreppe |
II. Bürgerschule | 420 | Jungen | Tribüne Kaiserhof |
II. Bürgerschule | 132 | Jungen | Tribüne Geiststift |
II. Bürgerschule | 1.000 | Jungen | Bahnhofstraße |
II. Bürgerschule | 1.200 | Mädchen | Tribüne Plan |
II. Bürgerschule Knabenmusikkorps | 130 | Jungen in Bergmannstracht | Sondertribüne Plan |
Katholische Schule | 420 | Jungen und Mädchen | Tribüne Kaiserhof |
Präparande | 197 | Präparanden | Marktgasse |
Lutherschule | 150 | Jungen | Luthers Geburtshaus |
Lehrerseminar | 102 | Seminaristen | Tribüne Kaiserhof |
Gerbstedt Schulen | 150 | Jungen und Mädchen | Tribüne Geiststift |
Andere auswärtige Schulen | 300 | Jungen und Mädchen | Tribüne Mohrenapotheke |
Quelle: /1/, S. 55.
Der Besuch des Kaisers am 12. Juni 1900 in Eisleben
Alle Tage Maskenball – Die Ankunft des Kaisers
Pünktlich um 11:58 Uhr fuhr der Sonderzug von Kaiser Wilhelm II. auf dem Bahnhof von Eisleben von Berlin über Güsten, Sandersleben, Hettstedt und Blankenheim kommend ein. Im Gefolge Wilhelms befanden sich neben seiner Frau Auguste Victoria die Oberhofmeisterin Gräfin von Brockdorff, die Hofdame Gräfin von Gersdorff, der Oberhofmeister Freiherr von Mirbach und der Regierungspräsident des Regierungsbezirkes Merseburg Freiherr von der Recke – ein Verwandter der Landrates des Mansfelder Gebirgskreises – sowie dem Kabinettsrat Dr. von Lucanus, dem General der Infanterie von Plessen, dem Generalmajor von Scholl, dem Hofmarschall von Egloffstein, dem Oberstleutnant Freiherr von Berg und dem Leibarzt Oberstabstabsarzt Dr. Ilberg.
Am Bahnhof standen von Seiten der MANSFELDSCHEN KUPFERSCHIEFERBAUENDEN GEWERKSCHAFT die Herren Graf Hohenthal – in der Uniform eines Majors des 1. Garde-Ulanen-Regiments -, Professor Dr. Zirkel und Bergmeister Schrader sowie der Geheime Rat und ehemalige Oberbürgermeister Eislebens Dr. Georgi – alle in bergmännischer Paradeuniform – zur Begrüßung des Kaisers und seiner Gattin bereit. Außerdem waren der Landrat des Mansfelder Seekreises von Wedel und der kommandierende General des IV. Armeekorps, General der Infanterie von Klitzing sowie der bereist erwähnte Oberpräsident der Provinz Sachsen Dr. von Bötticher anwesend.
Kaiser Wilhelm II., der Uniformen über alles liebte und über den ein zeitgenössischer Spruch etwas spöttisch sagte: „Alle Tage Maskenball!“, trug den Waffenrock der GARDE DU CORPS. Wilhelm und Victoria Auguste sowie das Gefolge begaben sich zügig in die eigens errichtete Empfangshalle am Bahnhof, wo sie vom Oberpäsidenten von Bötticher in Empfang genommen wurden. Die Kaiserin und das Gefolge seiner Majestät bestiegen die bereitgestellten Wagen, während Wilhelm II. – wie durch eigene Order angekündigt – sein Pferd bestieg. Auf dem Bahnhofsplatz stand die abkommandierte 2. Eskadron des KÜRASSIERREGIMENTS VON SEYDLITZ parat, um den Kaiser zu begleiten.
Der Zug des Kaiserpaares zum Festplatz
Der Zug des Kaisers wurde durch zwei berittene Gendarmen angeführt, gefolgt von einer Kutsche mit dem Landrat des Mansfelder Seekreises von Wedel und dem Oberpräsidenten von Böttcher. Danach folgten wieder zwei Reiter und die Kutsche mit der Kaiserin Victoria Auguste und ihrer Oberhofmeisterin Gräfin von Brockdorff. Neben dieser Kutsche ritt Graf Hohenthal. Unmittelbar hinter der Kutsche seiner Gemahlin ritt Wilhelm II. mit den berittenen Herren seines Gefolges. Danach kam die Eskadron der KÜRASSIERE VON SEYDLITZ. Den Abschluss bildeten die übrigen Damen und Herren des kaiserlichen Trosses in Pferdekutschen.
Kaiser Wilhelm II. und Kaiserin Viktoria Auguste wurden auf ihrem Zug vom Bahnhof zum Markt von Eisleben von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt. Wie bereits erwähnt waren die Zuschauer ausgesucht und selbst sozialdemokratisch gesinnte Arbeiterfamilien waren im Prinzip kaisertreu. Die gehobenen Schichten des Bürgertums hatten zu dieser Zeit absolut nichts auszustehen, blickten der Zukunft zugewandt auf ihre Emanzipation und die ihnen gebotenen Chancen in Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Militär, und genossen ihren seit der Reichsgründung 1871 erarbeiteten Wohlstand und die geringen Steuern – und genau so war an diesem Tag die Stimmung in der Lutherstadt. Beim Durchqueren des eigens für diesen Tag errichteten mittelalterlichen Festtores am Markt wurde dem Kaiserpaar Blumen zugeworfen.
Kurz und doch nicht ganz emotionslos – Der Auftritt Kaiser Wilhelm II. auf dem Festplatz
Unter dem Geläut der Glocken der Kirchen Eislebens trafen der Kaiser, seine Gemahlin und das Gefolge auf dem Markt der Lutherstadt ein. Die Standarte des Kaisers wurde aufgezogen und die aufgestellten Bergleute präsentierten preußisch stramm ihre Keilhauen, als ob sie Gewehre wären. Gleichzeitig verstummten die Kirchenglocken. Wilhelm II. erhielt durch Bergmeister Schrader einen militärisch exakten Rapport über die angetretenen Berg- und Hüttenleute, die Beamten und die Berginvaliden. Kaiser Willhelm II., der militärischen Drill für eine der vornehmsten menschlichen Tugenden und auch im zivilen Leben für unvermeidlich hielt, ritt daraufhin die Front der aufgestellten Berg- und Hüttenleute ab und begab sich danach auf die ihm bestimmte Stelle auf dem Markt.
Die Kaiserin Auguste Victoria begab sich der Zwischenzeit in das für sie errichtete Festzelt. Nach dem Absingen des Liedes EINE FESTE BURG IST UNSER GOTT, bei der Calvinist Wilhelm II. von seinem Standplatz aus fortwährend das Lutherdenkmal im Blick hatte, hielt Dr. Georgi als Deputierter und Geheimer Rat eine vergleichsweise kurze Rede, in der insbesondere die Verdienste des preußischen Königshauses um Bergbau und Hütten im Mansfelder Revier gewürdigt wurden. Danach wurde dem Kaiser der Ehrenpokal gereicht, wobei Graf Hohenthal – trotz seines fortgehschrittenen Alters – mit kräftiger Stimme sagte: „Seiner Majestät dem Kaiser und König, unserem allergnädigsten Grafen zu Mansfeld und höchsten Bergherrn, und Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin aus treuer Brust ein dreifaches GLÜCK AUF!“ (Quelle: /1/, S. 61).
Kaiser Wilhelm II. nahm den Becher und antwortete: „Den durch ehrwürdige Erinnerungen geweihten Pokal ergreifend, leer ICH ihn auf das Wohl MEINER Mansfelder Knappen.“ (Quelle: /1/, S. 61). Was den Kaiser bewogen hatte, die ihm eigentlich verhassten einfachen Eisleber Arbeiter so zu würdigen, ist heute nicht mehr herauszufinden. Vielleicht war er durch den frenetischen Empfang, den ihm die Menschen der Lutherstadt bereitet hatten, wirklich gerührt. Die Lebensumstände der meisten Menschen hatten sich im Deutschen Kaiserreich deutlich gebessert und Wilhelm II. hatte die damaligen Verhältnisse der Hungeraufständen des Jahres 1847 nun wirklich nicht zu verantworten. Das war auch eine Toleranz des Volkes gegenüber ihrem Königshaus.
Nach einer kurzen Rede lehrte Kaiser Wilhelm II. den Ehrenpokal und begab sich zu Pferde zum Ehrenpavillon, wo ihm mehrere Beamte der Gewerkschaft und des preußischen Staates vorgestellt wurden und er Gelegenheit hatte, Produkte aus den Bergwerken und Hütten zu besichtigen. Die Exponate der Ausstellung wurde durch Prof. Zirkel vorgestellt. Der Pünktlich 13:00 Uhr begaben sich der Kaiser und die Kaiserin unter dem Jubel der anwesenden Bevölkerung zurück zum Bahnhof, wo sie ihren Sonderzug bestiegen. Die Berg- und Hüttenleute wurden von je einem Beamten spalierweise in die zugewiesenen Gaststätten zur Bewirtung gebracht. Für Beamte, Führungskräfte und Ehrengäste der MANSFELD wurde ab 14:30 Uhr ein Festessen im Wiesenhaus ausgerichtet.
Eine kurze Geschichte am Rande: Wilhelm II. traf auch auf den bereits erwähnten Berginvaliden Gotthilf Krone aus Gerbstedt. Auf die angesichts der politischen Verhältnisse im Reich eigentlich überflüssige Frage des Kaisers , ob es auch „unter ihren Kameraden, den Mansfelder Bergarbeitern, nicht doch auch Socialdemokraten“ gäbe, antwortete Gotthilf Krone: “ Socialdemokraten nicht, Ew. Majestät, wohl aber Schwache, die jedoch an dem reichstreuen Vereine den notwendigen Rückhalt finden und so vor weiterer Gefahr bewahrt bleiben (Quelle: /1/, S. 63).
Der Dank des Kaisers nach Eisleben
Wilhelm II. konnte sich trotz des überschwänglichen Empfanges in Eisleben nicht dazu hinreißen lassen, von seinem Pferd abzusteigen. Dennoch muss ihn der Empfang sehr imponiert haben, denn am 12. Juni 1900 erließ der Kaiser ein Dekret, in dem er ausdrücklich nicht nur der Gewerkschaft, sondern auch den Bewohnern seiner einst verhassten Stadt Eisleben dankte: „Die musterhafte Haltung der wackeren gewerkschaftlichen Belegschaft, der freudige, durch die Bewohner der Stadt Eisleben, sowie der ganzen Grafschaft, Ihren Kaiserlichen Majestäten bereitete festliche und warme Empfang haben Allerhöchst seinem landesväterlichen Herzen sehr wohl getan. Seine Majestät werden dem Empfang in Eisleben stets eine gute Erinnerung bewahren.“ (Quelle: /1/, S. 62/62).
Das Festmahl der Gewerkschaft im Wiesenhaus und die Bewirtung der Berg- und Hüttenleute
Im Anschluss an den Besuch des Kaisers und der Kaiserin wurde im Wiesenhaus ein Festmahl eingenommen, zu dem die Ehrengäste, die Deputierten und die Beamten ohne Unterschied ihres Standes der MANSFELDSCHEN KUPFERSCHIEFERBAUENDEN GEWERKSCHAFT – insofern sie nicht wegen dienstlicher Belange verhindert waren – eingeladen wurden. Als Dresscode wurde die Paradeuniform des jeweiligen Gewerkes vorgegeben. So kamen etwa 700 Leute zusammen, die standesgemäß zu verpflegen waren. Die folgende Menükarte zeigt, was es Gutes zu Essen und zu Trinken gab:
- Kraftbühe mit Einlage
- Salm mit Sauce Hollandaise
- Rehrücken nach Gärtnerart
- Pastete von der Schnepfe
- Brüsseler Poularden
- Schmorfrüchte
- Salat
- Gefrorenes
- Baumkuchen
- Nachtisch
- Sherry
- Rüdesheimer Berg
- 1897er Zeltinger Burgunder
- Kupferberg Gold
Danach gab es Wein, Bier und Zigarren. Der Wirt des Wiesenhauses kassierte pro Gedeck 22,00 Mark, immerhin insgesamt 15.400,- Mark.
Deutlich billiger kam die Gewerkschaft bei der Verpflegung der für den Kaiserbesuch zum Spalierstehen abkommandierten Berg- und Hüttenleute weg. Pro Person wurden 1,75 Mark berechnet. Die Berg- und Hüttenleute erhielten in vertraglich gebundenen Wirtshäusern der Stadt Eisleben dafür jeweils:
- 250 Gramm Wurst
- 4 Weizenbrötchen
- 1 Saure Gurke
- 6 Gläser Bier
- 5 Zigarren
Bei viertausend zu bewirtenden Berg- und Hüttenleuten kam eine Summe von 7.000,- Mark zusammen. Die Wirtshäuser zur Bewirtung der Berg- und Hüttenleute waren über ganz Eisleben verteilt, bis hin zur weit vom Stadtkern Eislebens entfernten Gaststätte ZUR OBERHÜTTE an der Straße von Siersleben nach Eisleben.
Quellen:
/1/ Verein Mansfelder Berg- und Hüttenleute e.V. (Hrsg.)
MANSFELD Die Geschichte des Berg- und Hüttenwesens
Band 4
Verein Mansfelder Berg- und Hüttenleute e.V. Luth. Eisleben und
Deutsches Bergbau-Museum Bochum, 2011
ISBN 3-937203-50-8
ISBN 978-3-937203-50-8
Weiterführende Literatur:
Eisleben in Historischen Bildern
Sutton Verlag
ISBN 3-89702-489-6
Fischer-Fabian, S.
Herrliche Zeiten – Die Deutschen und ihr Kaiserreich
Bastei Lübbe
ISBN 3-404-64206-6