Als Industrielle Revolution bezeichnet man die Zeit nach der Französischen Revolution als die von James Watt erfundene Dampfmaschine weite Verbreitung erreichte. Durch diese und andere bedeutende Erfindungen im Maschinenbau und in der chemischen Industrie entstanden erstmals große Fabriken und Konzerne, was zu einer Abwanderung von Landarbeitern in die Städte führte. In Deutschland förderte die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834, durch den die zahlreichen Hindernisse des freien Handels beseitigt wurden und der Bau der ersten Dampfeisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth ein Jahr später. Seit dieser Zeit konnten Waren schneller zwischen Hersteller und Verbraucher ausgetauscht werden und auch die Menschen erreichten eine bis dahin unbekannte Mobilität. Von dieser Entwicklung profitierten naturgemäß Gebiete wie das Ruhrgebiet, das mitteldeutsche Industrierevier, die rohstoffreichen Gebiete in Oberschlesien und die Hafenstädte wie Hamburg und Bremen am meisten und zogen riesige Menschenmengen an, die sich den Traum von einem besseren und weniger sorgenvollen Leben erfüllen wollten.
In den überwiegend landwirtschaftlichen Gebieten Deutschlands zum Beispiel in Pommern traten diese riesigen Umwälzungen nicht so stark auf. In diesen Gebieten herrschte ein fast noch mittelalterliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Gutsherren und den Landarbeitern. Durch einige Missernten kamen billige Getreideimporte aus Russland und auch teilweise aus den USA und Kanada in das Deutsche Reich – was dazu führte, dass es einigen Höfen nicht mehr möglich war kostengerecht zu produzieren und es zu vielen Verschuldungen und auch zur Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes kam. Der Gutsherr hatte jedoch immer noch die Macht über die niedere Gerichtsbarkeit und konnte fast nach persönlichem Gutdünken über seine Untergebenen verfügen. Wer es sich leisten konnte, zog in die Industriegebiete, in denen die Verdienste höher lagen und auch es auch mehr Freiheiten gab
Nach der Deutschen Reichsgründung im Jahr 1871 durch die für damalige Zeiten gigantische Kriegsentschädigung vom 5 Mrd. Franc entstand ein wahrer Gründungsboom, an dem alle von der Putzfrau bis zum Generaldirektor teilnehmen wollten. Dieses teils überschnelle und ungesunde Wachstum endete schon 2 Jahre später im Gründerkrach, in der riesige Geldsummen wieder verloren wurden und es eine Abkehr vom Freihandel gab und immer weitere Schutzzölle gegen Importe verhängt wurden. Bekannte Namen dieser Zeit sind Bethel Henri Strousberg der ein riesiges Eisenbahnimperium erschuf und Fürst Malte von Putbus mit seiner Bautätigkeit. Strousberg kam nach seiner Haft im Petersburger Schuldturm bei seiner ehemaligen Köchin unter, Fürst von Putbus wurde nach seiner Pleite im Volksmund nur noch Fürst von KAPUTBUS genannt. Die Gründerkrise führte auch zu einem verstärkten Antisemitismus und begünstigte die Gründung von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Ein Nachteil der Industriellen Revolution waren eine zunehmende Verelendung der breiten Masse der Industriearbeiter, die sehr häufig in elenden Quartieren hausen mussten und von einigen Fabrikbesitzern fast wie Sklaven behandelt wurden. Die selbst für damalige Zeiten geringen Löhne wurden durch willkürliche Kürzungen von Vorarbeitern oder den Unternehmern selbst auf ein fast nicht mehr lebensmögliches Niveau zusammengestrichen. Auch wurden manche Arbeiter gezwungen überteuerte und meistens auch qualitätsmäßig ungenügende Lebensmittel von ihrem Lohn zu erwerben oder in menschenunwürdigen Behausungen zu wohnen.
Allerdings gab es auch positive Beispiele, einige Unternehmer sorgten – auch in ihrem eigenen Interesse – dafür, dass es ihrer Belegschaft relativ gut ging. Zum Beispiel wurden von einigen Firmen Land und günstige Kredite für Häuser mit kleinen Gärten zum Gemüseanbau und zur Kleintierhaltung angeboten. Diese Siedlungshäuser waren für diese Zeit sehr typisch, teilweise kann man diese Bauweise noch heute erkennen. Auch für nicht verheiratete Arbeiter wurde gesorgt, in so genanten Schlafhäusern wurde eine kleine Kammer oder auch nur ein Bett angeboten. Wer wollte, konnte gegen einen Aufpreis sogar eine Art VOLLPENSION dazu in Anspruch nehmen. Auch wurde zum Beispiel den Bergleuten im Mansfelder Land verbilligtes Getreide zur Verfügung gestellt, und nicht wenige freuten sich auch auf den stark verbilligten Schachtschnaps. Dieses Gebräu wurde im Volksmund halb scherzhaft, halb respektvoll KUMPELTOD genannt. Als Gehalt bekamen jüngere Arbeiter etwa 13 Mark in der Woche, Facharbeiter im Schlossergewerbe bekamen ca. 22 Mark einzelne Akkordarbeiter konnten sogar bis 40 Mark verdienen. Das Gehalt lag höher als in der Landwirtschaft, die Familien konnten sich an einigen Sonntagen im Jahr sogar kleinere Ausflüge in die nähere Umgebung leisten. Ein Schweinekotelett mit Beilagen kostete 1,25 Mark, ein Portion Gänsebraten 1 Mark. Zum Dessert konnte man sich aus großen Schüsseln bedienen, ein Glas Bier kam auf 10 Pfennig und ein Korn die Hälfte. Die Reise in der Eisenbahn in der 4. Klasse von Berlin nach Neustrelitz, dies sind ca. 120 km, schlug mit 4 Mark pro Person auf das Budget.
Auch entstanden zu dieser Zeit zahlreiche kleine Eckkneipen und Trinkhallen, in der die Arbeiter nach ihrem wohlverdienten Schichtende ein kühles Glas Bier mit einer Zigarre zu 3 Pfennig zu sich nehmen konnten. Wenn danach noch etwas Geld übrig war, bekamen die Kinder aus dem Kolonialwarenladen ein Stück Obst oder, wenn sie besonders brav waren, sogar eine kleine Tafel Schokolade mit dem damals noch nicht als rassistisch angesehenen Sarotti Mohr auf der Verpackung. Auch fand ein Großteil des sozialen Lebens in den Sport-, Gesangs, – und Schützenvereinen statt. Natürlich mit einer strikten Trennung zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten. Durch diese umfangreichen Sozialleistungen wahren Industrie- und Bergarbeiter um ein vielfaches besser gestellt als ihre Kollegen in der Landwirtschaft. In dieser Zeit kam es zu einer vermehrten Auswanderung nach Nordamerika, teilweise fanden sich sogar geschlossene Straßenzüge oder kleinere Dörfer zur Auswanderung zusammen. Eine gesteuerte Lenkung der Auswanderung in die damals neu erworbenen Kolonien scheiterte durch die schlechten Lebensbedingungen besonders in den afrikanischen Gebieten.
Durch diese sozialen Ungerechtigkeiten kam es in dieser Zeit immer wieder zu lokalen Streiks oder Ausschreitungen von Berufsgruppen, z.B. dem Weberaufstand in Schlesien im Jahr im Jahr 1844 der in der erfolglosen Revolution von 1848 endete. Trotz aller negativen Seiten dieses schnellen und teilweise ungesunden Wachstums, im Übrigen eine Parallele zur heutigen Zeit – ging es den Deutschen zu dieser Zeit wesentlich besser als in anderen Ländern oder zu vorherigen Zeiten. Die Spareinlagen waren höher und die pro Kopf Verschuldung geringer als in Frankreich oder Großbritannien und die Moderne hielt mit Eisschrank und gasbeheiztem Bügeleisen auch langsam Einzug in die Wohnungen und Häuser und erleichterten so auch die Arbeit der Hausfrauen. Die wohlhabenden Familien wie zum Beispiel Ärzte, Unternehmer oder das höhere Beamtentum konnten sich sogar ein Hausmädchen – fast immer Minna genannt, auch wenn sie in Wirklichkeit einen anderen Namen trug – leisten. Diese Tätigkeit führten fast immer junge Frauen aus den ostelbischen Gebieten aus denen sich so die Möglichkeit bat Geld zu verdienen und Erfahrungen in der Hausarbeit zu sammeln. Auch waren die Steuerlasten sehr gering: Von 900 bis 1050 Mark Jahreseinkommen waren nur 6 Mark zu bezahlen, wer bis 1350 Mark waren es 9 Mark und Einkommensbezieher mit über 9000 Mark wurden mit 3 Prozent zur Kasse gebeten. Umsatz- und Mehrwertsteuer waren unbekannt, bei Erbschaften verlangte der Staat lächerliche 1,52 Prozent. Aus heutiger Betrachtungsweise fas paradiesische Zustände.
Weniger gut ging es zu dieser Zeit den Beamten – ihre Bezüge hatten sich seit Beginn des Jahrhunderts nicht wesentlich erhöht und die Wartezeiten bis eine Stelle zugewiesen wurde, waren sehr lang. Da es zu dieser Zeit nur eine Art kleines Taschengeld gab, konnte der angehende Bahn- oder Postrat natürlich keine Familie ernähren. Für die kleineren und mittleren Beamten war es auch mit einer zugewiesenen Stelle schwer Frau und Kinder zu versorgen, oftmals mussten die Gattinnen mit hinzuverdienen. Das war eigentlich verboten und wurde noch mehr gesellschaftlich geächtet. Als Krönung der Beamtenlaufbahn wurde die Verleihung eines Ordens angesehen, das kam allerdings weniger oft vor, als erhofft. Etwas besser ging in finanzieller Sicht den höheren Beamten, wenn sie einen akademischen Grad vorweisen konnten oder gar Reserveoffizier waren. Schließlich galt die Armee als Schule der Nation und jeder war stolz auf seine Militärzeit. Auch trug das Militär zur Reichsgründung bei, durch die Einführung des Zündnadelgewehrs und schnellen Truppenverschiebungen mit der Bahn war die deutsche Armee der französischen überlegen. Seit der Reichsgründung im Jahre 1871 kam es zu umfangreiche Reformen in der Sozialgesetzgebung. Diese waren zum Beispiel im Jahr 1883 Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung sowie das Verbot der übermäßigen Kinderarbeit. So konnte nach einem langen und harten Arbeitsleben der Ruhestand genossen werden und bei einer Krankheit gab es zumindest etwas Geld zum Leben.
Diese damals in der Welt einzigartigen und wegweisenden Sozialversicherungen hatten handfeste Gründe: Bei der Musterung waren teilweise nur noch 40 Prozent der untersuchten Männer zu Wehrdienst tauglich, obwohl die preußischen Militärärzte sicherlich nicht sehr wählerisch waren. Auch die ersten Berufsgenossenschaften wurden zu jener Zeit eingerichtet. Der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck – der vermutlich bekannteste Politiker und sicherlich auch einer der fähigsten Köpfe dieser Zeit – förderte diese Gesetze, um die Arbeiter an das Reich zu binden und den sozialistischen Parteien Mitglieder zu entziehen, was aber ihm im Nachhinein betrachtet nicht gelang. Die deutsche Arbeiterschaft wandte sich immer mehr der SPD oder den Parteien der Linken zu. Die deutsche Außenpolitik in den Jahren 1871 bis zu Bismarcks Entlassung im Jahre 1890 war geprägt vom Versuch des Ausgleichs mit den großen europäischen Mächten Großbritannien, Frankreich und dem zaristischen Russland.
Seine Nachfolger ließen diese Kontakte allerdings in ihrer Amtszeit immer mehr verfallen, was vermutlich den Ausbruch des 1.Weltkrieges begünstigte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stieg das damalige Deutsche Reich langsam zur politischen und militärischen Weltmacht auf und wurde so noch vor Frankreich und der USA zum stärksten Konkurrenten Großbritanniens auf dem Weltmarkt. Die Deutsche Industrie entwickelte viele neue Produkte, viele der verliehenen Nobelpreise gingen an Forscher aus Deutschland. Hier sind als bekannte Personen zum Beispiel der Historiker Theodor Mommsen oder Wilhelm Konrad Röntgen zu nennen. Auch kam es zu dieser Zeit zu einer vermehrten Emanzipierung der Frauen, die erstmals ein Studium aufnehmen durften. Der damalige Herrscher WILHELM II wollte noch mehr als seine Vorgänger ein Herrscher auch der armen Leute sein. Bei einem Aufstand in der Rheinprovinz drohte er den Fabrikbesitzern seine Soldaten abzuziehen, wenn sie den Forderungen der Arbeiter nicht nachgeben wollten. Im einfachen Volk war Wilhelm tatsächlich sehr beliebt, wenn auch über seinen Uniformenfetisch zumindest unter vorgehaltener Hand Witze gemacht wurden. Trotz seiner teilweise unbeherrschten und herrisch auftretenden Art war er in seinem Denken und Handeln ein moderner Herrscher. Er nutzte die damals neuen Methoden zur Telekommunikation, hatte einen modernen Eisenbahnzug und förderte die Forschung mit der Gründung der KAISER WILHELM GESELLSCHAFT, in der zum Beispiel Otto Hahn und Fritz Haber forschten. Der Besuch des Kaisers galt als das positivste Ereignis in einer Stadt. Eine kleine interessante Geschichte am Rande: Als der Kaiser am 12. Juni 1900 zur Feier des 700jährigen Kupferbergbaues die Stadt Eisleben besuchte weigerte er sich einen Fuß auf den Boden der angeblich SOZIALISTISCHEN ROTEN STADT zu setzen. Zur späteren Jagd in Piesdorf stieg er allerdings doch noch von seinem Pferd.
Der Kaiser galt wie so viele andere Herrscher als begeisterter Nimrod – mit allen Vorzügen und Nachteilen, die diese Spezies aufweist. Als im Dreikaiserjahr 1888 Wilhelm II. nach seinem Vater FRIEDRICH III. und seinem Großvater WILHELM I. zum Deutschen Kaiser gekrönt wurde, begann der marine- und technikbegeisterte Herrscher ein riesiges Flottenrüstungsprogramm aufzulegen, um England im Kriegsfall Paroli zu bieten. Diese Entwicklung besorgte natürlich England und die anderen europäischen Mächte stark und es kam schon in den Jahren vor 1914 mehrfach zu Konflikten. Diese Idee von Wilhelm II. und Admiral Tirpitz stellte sich allerdings im 1. Weltkrieg als Fehler heraus, der deutschen Flotte fehlten die Stützpunkte in Asien, Südamerika und Afrika um einen globalen Seekrieg führen zu können. Während des Krieges führten die Großkampfschiffe nur wenige Operationen aus und im November 1918 kam es zu Meutereien, die in der NOVEMBERREVOLUTION endeten. Nach dem Waffenstillstand versenkte sich die nunmehr Internierte Flotte im schottischen Kriegshafen SCAPA FLOW selbst. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges endete in Europa eine für die damalige Zeit lange Periode des Friedens und ein unglaublicher wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg für alle Schichten der Bevölkerung. Der damalige britische Außenminister Sir Edward Grey fasste dies im Jahre 1914 zu einem berühmt gewordenen Satz zusammen:
THE LIGHTS ARE GOING OUT ALL OVER EUROPEAND I DOUBT WE WILL SEE THEM GO ON AGAIN IN OUR LIFETIME.
IN EUROPA GEHEN DIE LICHTER AUS. WIR WERDEN ES NICHT MEHR ERLEBEN, WENN SIE WIEDER ANGEHEN.
Sir Edward Grey, Britischer Außenminister, 1862 – 1932, im Jahre 1914
Weiterführende Literatur:
Fischer-Fabian, S.
Herrliche Zeiten – Die Deutschen und ihr Kaiserreich
Bastei Lübbe
ISBN 3-404-64206-6
Bismarck, O. v.
Denkwürdigkeiten
2 Bände
Verlag U. de Grousilliers
Berlin 1899
Eisleben in Historischen Bildern
Sutton Verlag
ISBN 3-89702-489-6
Weiterführende Filme:
Der Untertan
Regie: Wolfgang Staudte
DDR 1951