Die Anfänge der Krughütte
In den 1860er und 70er Jahren wurden in der Umgebung der Stadt Eisleben vermehrt große Schachtanlagen zur Förderung des Kupferschiefers in Betrieb genommen. Diese Schachtanlagen, unter denen besonders die Gruben MARTIN, ERNST, SEGEN GOTTES und OTTO zu nennen sind, förderten bereits im Jahre 1875 eine Masse von 110.000 Tonnen Kupferschiefer.
Dazu ist noch anzumerken, dass der SEGEN-GOTTES-SCHACHT zu der Zeit bei weitem noch nicht seine volle Kapazität erreicht hatte, weil Probleme mit der Wasserhaltung auftraten. Das war eine bedeutend größere Menge, als die Schmelzkapazität der bereits existieren Mittel-und Oberhütte am nördlichen Stadtrand von Eisleben. Dieser Umstand bedingte den Bau einer Hütte in der Nähe des neuen Abbaufeldes. Deshalb wurde in den Jahren 1868 bis 1870 eine neue Schmelzhütte an der Straße von Eisleben nach Wimmelburg in der Nähe des SEGEN-GOTTES-SCHACHTES errichtet.
Am 25.04.1870 ging die neue Hütte in Betrieb. Ihre großen Öfen mit 9,50 Meter Höhe und 1,20 Meter Durchmesser waren eine technische Neuerung, denn bisher gab es keine ähnlichen Öfen für die Schmelze des Kupferschiefers. Bereits 1872 konnten in dem nun auf den Namen KRUGHÜTTE getauften Betrieb 65.000 Tonnen Kupferschiefer verarbeitet werden. Die verarbeitbare Menge wurde bis 1875 auf 100.000 Tonnen gesteigert. Dies führte zur Einstellung folgender Schmelzhütten: 1870 Mittelhütte und Friedeburger Hütte, 1872 Kreuzhütte und 1874 Oberhütte – diese wurde jedoch anderweitig für die Elektrolyse umgebaut.
Die KRUGHÜTTE setzte seinerzeit technologische Maßstäbe. Durch umfangreiche Investitionen in die Metallurgietechnik aber auch in die Infrastruktur wurde die Schmelzleistung bis zum Jahre 1900 auf 220.000 Tonnen Kupferschiefer pro Jahr erweitert – insgesamt 5 Schmelzöfen machten dies möglich. Bereits 1871 wurde eine Drahtseilbahn zwischen dem nahen Martinsschacht bei Kreisfeld und der KRUGHÜTTE mit einer Transportkapazität von 30.000 Tonnen pro Jahr installiert – im Jahre 1880 konnten mit dieser Seilbahn nach einer Modernisierung des Antriebes bis zu 100.000 Tonnen Kupferschiefer bewältigt werden. Zwar gab es immer wieder technische Probleme mit den neu eingesetzten Technologien und den Anlagen, diese konnten aber auch immer wieder behoben werden.
In den ersten Jahren des Bestehens der KRUGHÜTTE wurden die Kupfererze über ein ausgedehntes von Seilbahnen zu den einzelnen Schächten befördert. Die erste der Seilbahnen war die zum Martinsschacht bei Kreisfeld, die im Jahre 1871 in Betrieb genommen wurde – sie war die erste auf dem europäischen Kontinent. Eine Werksbahn wurde erst 1902 als Schmalspurbahn eingerichtet. Dennoch wurde das Seilbahnsystem bis zum Ersten Weltkrieges ausgebaut. Das übrigens auch über weite Distanzen, so zum Beispiel 1905 bis zum HERRMANNSCHACHT bei Helfta. In dies Zeit fällt auch die intensive Nutzung der reichlich anfallenden Schlacke.
Aber nur etwa 30 Prozent der Schlacke konnte für die weitere Verarbeitung, zum Beispiel zu dem legendären Mansfelder Straßenpflaster, weiterverarbeiten ((Für diejenigen, die es genau wissen wollen: Die glutflüssige Schlacke wurde in Loren gekippt. An den kalten Wänden dieser Loren erstarrte ein Großteil der Schlacke. Ein weiterer Teil bildete eine unbrauchbare halberstarrte thermische Isolierschicht zu den erstarrten Schlacken an den Wänden und zur Umgebungsluft auf der Oberseite der Loren.)). Der Rest landete auf den weithin sichtbaren und auf Grund ihrer Größe und Farbe beeindruckenden Schlackenhalden. In der Zeit um und nach dem Ersten Weltkrieg begann eine erneute Welle von Modernisierungsmaßnahmen auf der KRUGHÜTTE.
Das bis dahin betriebene Brennen des Kupferschiefererzes hatte mehrere negative Auswirkungen, von denen hier vier genannt seien:
- Der Aufwand an Arbeit und Personal war hoch.
- Es erforderte eine beträchtliche Menge an Kapital, weil es etwa drei bis vier Monatsproduktionen an Kupferschiefer band.
- Die starke Umweltbelastung durch die Röstgase war in der näheren Umgebung der KRUGHÜTTE nicht mehr tragbar.
- Der Energieaufwand war beträchtlich, denn obwohl das Kupferschiefer eine Menge Kohlenstoff enthielt, war dieser nicht nutzbar.
Das Kupferschiefer hatte wegen des bereits erwähnten Kohlenstoffgehaltes einen sehr hohen Brennwert, der beim Brennen Temperaturen bis 1.100 °C entstehen ließ, so dass sich durch eine geeignete anlagentechnische Ausstattung eine beträchtliche Menge an Brennstoff einsparen ließ. Die bis dahin verfügbaren Öfen waren diesen Temperaturen wegen ihre Ausmauerung allerdings nicht gewachsen. Abhilfe versprachen die in den Vereinigten Staaten von Nordamerika in den 1880er Jahren entwickelten Wassermantelöfen.
Nur diese Öfen ermöglichten so hohe Schmelztemperaturen, denn an de kalte Ofenwand führte zu einer lokalen Erstarrung des Schmelzgutes und damit zu einer sich ständig regenerierenden Hitzeschutzschicht. Das KRUPP-GRUSON-WERK aus Magdeburg errichtete im Jahre 1913 einen solchen wasserummantelten Ofen, der nach kurzer Zeit eine Schmelzleistung an ungebranntem Rohschiefer von etwa 500 Tonnen pro Tag erbrachte ((Das Grusonwerk in Magdeburg konnte zu dieser Zeit bereits auf eine lange Maschinenbautradition zurückblicken. Die Grusonwerke gingen später in der Firma Krupp auf, und hatten in der DDR einen guten Ruf als Walzwerkausrüster unter dem Namen VEB SCHWERMASCHINENBAUKOMBINAT ERNST THÄLMANN, kurz SKET. Heute firmiert das Unternehmen unter dem Namen SKET – mit dem guten Wahlspruch: „SKET – Wir machen das!“.)). Das war deutlich mehr als das Doppelte der bisherigen Schmelzleistung an gebranntem Schiefer.
Die neue KRUGHÜTTE zwischen den beiden Weltkriegen
Ermutigt von der Leistungsfähigkeit des Versuchsofens begann man 1914 die Planungen zu einer neuen Hütte neben der KRUGHÜTTE. Mit dem Bau der neuen Schmelzanlage wurde im Spätherbst 1915 begonnen. Nach einem Jahr Bauzeit wurde die Anlage im Oktober 1916 – mitten im Ersten Weltkrieg – in Betrieb genommen. Kriegsbedingt begann sich dann allerdings der weitere Ausbau der neuen Hütte zu verzögern, sodass erst im Mai und Juli des Jahres 1918 zwei weitere Schmelzöfen fertig wurden.
Mit beiden Öfen konnte erst einmal nur ein Probebetrieb gefahren werden, weil erforderliche Infrastrukturmaßnahmen nicht fertig wurden. Dieser Probebetrieb dauerte bis in das Jahr 1924 – auch den schlechten wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen jener Zeit geschuldet ((Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, der nach der Kapitulation mit der Abdankung des Kaisers endete und in die WEIMARER REPUBLIK mündete, war geprägt durch hohe Reparationszahlungen und Gebietsabtretungen an die Siegermächte. Es kam immer wieder zu politisch motivierten Morden und Aufständen, von denen nur der KAPP-PUTSCH, der HITLER-LUDENDORFF-PUTSCH und die MÄRZKÄMPFE genannt seien.)). Erst dann konnte mit den zwei Schmlezöfen der Dauerbetrieb aufgenommen werden, wobei ein Jahresdurchsatz von 500.000 Tonnen Kupferschiefer erreicht wurde. Die alte KRUGHÜTTE wurde abgerissen und 1936 wurde ein dritter Schmelzofen errichtet.
Die neu errichtete Hütte war für die Prozesskette von der Anlieferung des Erzes und der Brenn- und Hilfsstoffe zweckmäßig angelegt. Die Hanglage wirkte sich günstig auf den Transport der Güter aus. Auf der oberen Ebene wurde das Kupfererz und Koks in selbstentleerenden Waggons durch die Werksbahn angeliefert und in eine Bunkeranlage abgekippt. Die Verteilung dieser Stoffe durch den innerbetriebliche Transport erfolgte dann eine Ebene tiefer. Erz und Koks wurden über Schurren in Waggons der Werksbahn gefüllt und dann zum Bestimmungsort gebracht.
Das Kupfererz benötigte allerdings noch eine spezielle Behandlung. Da die Erzstücke unterschiedlich groß waren, mussten sie nach Größe sortiert werden Die feinkörnigen Erzanteile wurden zusätzlich zu größeren Stücken verpresst – diesen Vorgang nennt man Sintern. Diese zusätzlichen Schritte waren absolut erforderlich, um den Schmelzprozess bezüglich der Luftzufuhr innerhalb der Öfen zu beherrschen, denn die kleinen Erzpartikel hätten zu einer Verstaubung der Schmelzöfen geführt.
Auf der untersten Ebene wurden die Endprodukte – jede Menge Schlacke und bei der Konzentration des Mansfelder Kupferschiefers ein vergleichsweise geringer Anteil Rohkupfer – abtransportiert. Von jedem der drei Öfen mussten innerhalb maximal 14 Minuten ein Wagon der Werksbahn mit 5 Tonnen Schlacke abtransportiert werden. Dazu kamen die 20 bis 25 Tonnen Rohstein – also das Geld bringende Rohkupfer -, die zweimal täglich anfielen. Dieser Rohstein musste bis zum nächsten Abstich des Schmelzofens abgekühlt, abgestochen und durch Handarbeit verladen sein!
Dazu kam, dass nach einer Betriebszeit von durchschnittlich fünf Wochen die Öfen außer Betrieb zu nehmen waren, um die angefallene Eisensau zu entfernen ((Die Eisensau entsteht im Verhüttungsprozess des Kupferschiefers aus dem Anteil der im Erz enthaltenen Eisenverbindungen. Sie wird im normalen Schmelzprozess nicht ausgeschieden und muss gesondert aus dem Schachtofen entfern werden. Die Eisensau kann durchaus einen wirtschaftlichen Wert darstellen, denn sie kann seltene und teure Elemente wie Molybdän, Titan oder Gold enthalten. Diese enthaltenen Metalle machen übrigen das Entfernen oft sehr schwer. Sie führen zu einer entsprechend zähen und harten Legierung, die bei den großen anfallenden Mengen nur durch Sprengen zu bewerkstelligen ist.)). Die Eisensau in den drei Öfen der neuen KRUGHÜTTE bestand aus 5.0 x 3.2 x 1.8 Meter großen Blöcken, die bis zu 200 Tonnen wogen. Diese Klötze mussten erst einmal auf eine logistisch beherrschbare Masse von etwa 40 Tonnen zerkleinert werden. Dies war unter produktiven Bedingungen nur durch Sprengen der Blöcke möglich. Auch die Schlacke wurde in größerem Umfang als bisher zur Produktion von Steinen genutzt. Zum Abguss der Schlacken wurden nun Formen mit 300 statt 60 Steinen genutzt.
Die überschüssige Schlacke musste auf Halde gekippt werden. In den Anfangsjahren der Hütte konnte dies noch auf gleicher Ebene geschehen. Schon bald aber war der verfügbare Raum ausgenutzt – und nun erwies die Hanglage der Krughütte als Fluch. Was bei der Anlieferung der Rohstoffe von Vorteil war, zeigte sich für die Entsorgung des Endproduktes Schlacke als ein echtes Problem. Die überschüssige Schlacke musste ab 1944 mittels drehmomentstarker Elektrolokomotiven in einen Bereich oberhalb der Hütte transportiert werden.
Die Überwindung von mehr als 70 Höhenmetern von der Hüttensole zum neuen Abladeort am Friedrichsberg auf eine so kurze Distanz war für Bahnen, deren Funktionalität allein auf der Kraftübertragung durch die Reibung zwischen Radsatz und Schiene beruht, schon grenzwertig, wurde aber gemeistert. Während des Zweiten Weltkrieges nahm die Produktivität der KRUGHÜTTE ab. Wegen der zunehmenden Einberufung der Arbeiter zum Militärdienst wurde die Produktion von Schlackesteinen ab 1943 nahezu eingestellt werden und Instandhaltungsmaßnahmen wurden auf das absolut notwendige Maß beschränkt.
Die Produktivität sank im Verlaufe de Jahres 1944 auf etwa 80 Prozent – verglichen mit dem Jahre 1939. Interessant ist, dass die KRUGHÜTTE – so wie die meisten anderen kriegswichtigen Industriebetriebe in Mitteldeutschland auch – im Wesentlichen von den sonst so verheerenden Bombenabwürfen der Alliierten verschont blieb. Personen kamen überhaupt nicht zu Schaden und die Sachschäden waren vernachlässigbar.
Der schwere Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg
Im Jahre 1945 – nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches – war es sehr schwierig, die Produktion auf der KRUGHÜTTE aufrecht zu erhalten. Die wirtschaftliche Situation des besiegten Deutschlands war mehr als kritisch – es fehlte an Rohstoffen und Energie und der Krieg hatte mehrere Millionen Tote und schwer Kriegsversehrte gefordert. Die Vorräte an Kupfererz waren gering und der von auswärts eingeführte Koks konnte nicht in der benötigten Menge herangeschafft werden. Dazu kam, dass die Produkte der KRUGHÜTTE vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges staatlich subventioniert waren.
Die Sowjetische Militäradministration – SMAD – war selbst nicht in der Lage, diese Subventionen aufzubringen. Sie wies daher die Landesregierung an, diese Mittel aufzubringen, was unter den gegebenen Umständen natürlich schon gar nicht nicht möglich war. So wurde die Produktion auf der KRUGHÜTTE immer wieder unterbrochen. Nach dem altbekannten und auch heute noch gern praktizierten Prinzip der Delegierung von Verantwortung auf untere Ebenen wurde das Problem der Beschaffung des dringend benötigten Kokses auf die SMAD übertragen. Wen diese ihrerseits verantwortlich machte, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Sicher ist jedoch, dass die Kokslieferungen allmählich wieder in Gang kamen.
Im Juni 1946 wurde wieder zwei Schmelzöfen in Betrieb genommen. Am Ende des Jahres 1946 wurde ein dritter Ofen angeheizt. Im folgenden Jahr kam jedoch die Versorgung mit Kupferschiefer in Verzug, sodass nur noch ein abwechselnder Betrieb von zwei Öfen möglich war. Um die Jahreswende 1946/1947 stand die KRUGHÜTTE so wie alle Betriebe der Mansfeld unter sowjetischer Verwaltung, wurde jedoch im März 1947 dem Land Sachsen-Anhalt übergeben. Im Jahre 1948 wurde die KRUGHÜTTE in einen Volkseigenen Betrieb überführt.
Die Wirtschaftsleistung stieg in den folgenden Jahren stetig an. 1950 – dem Jahr der Feierlichkeiten zum 750. Jahrestag des Kupferschieferbergbaues im Mansfelder Revier – wurde die KRUGHÜTTE in KARL-LIEBKNECHT-HÜTTE umbenannt. Die alte MANSFELD AG wurde in VEB MANSFELD KOMBINAT WILHELM PIECK umgewidmet. Die Probleme blieben allerdings die alten. Als besonders schwierig erwies sich die Versorgung der KARL-LIEBKNECHT-HÜTTE mit einem für den Schmelzprozess geeigneten reaktionsträgen Koks.
Das Ende der KRUGHÜTTE oder KARL-LIEBKNECHT-HÜTTE
Die Fördermengen der Schächte stiegen in den Anfangsjahren der Deutschen Demokratischen Republik stetig an, zwischen 1952 von knapp über 1 Millionen Tonnen und 1962 auf mehr als 1.7 Millionen Tonnen Kupferschiefer. Die erforderlichen Modernisierungsmaßnahmen, um diese Kapazitätssteigerungen in den Rohhütten aufzufangen, betrafen im Wesentlichen die AUGUST-BEBEL-HÜTTE. Damit war das Ende der KARL-LIEBKNECHT-HÜTTE besiegelt. Da sich einerseits die Förderung des Kuferschiefers in die Sangerhäuser Mulde verlagerte und andererseits die AUGUST-BEBEL-HÜTTE – früher KOCH-HÜTTE – immer leistungsfähiger wurde, traf man von höherer Seite den Beschluss, die LIEBKNECHT-HÜTTE im Jahre 1972 stillzulegen.
Diese harte Maßnahme wurde auch planmäßig und konsequent umgesetzt. Von der KRUGHÜTTE oder KARL-LIEBKNECHT-HÜTTE sind heute nur noch wenige Gebäude erhalten. Von ihrer einstigen Blüte zeugen heute nur noch zwei imposante schwarze Schlackehalden. Die obere und jüngere Halde ist dabei weitaus größer als die untere Halde bei Wimmelburg. Die mittlerweile leider von zunehmenden Verfall gezeichnete MILLIONENBRÜCKE bildet aber auch heute noch die Grenze zwischen Wimmelburg und der Lutherstadt Eisleben.