Hans Dietrich Genscher wurde am 21. März des Jahres 1927 in Reideburg bei Halle an der Saale geboren. Die Kleinstadt wurde im Jahre 1950 nach Halle an der Saale eingemeindet. Seine Eltern waren der Jurist Kurt Genscher und die Bauerntochter Hilde Genscher, geborene Kreime. Sein Vater starb im Jahre 1937. Genscher besuchte die Oberschule in Halle. Er wurde 1943 als Luftwaffenhelfer verpflichtet und kam ein Jahr später zum Reichsarbeitsdienst. Gegen Ende des Krieges geriet er als Angehöriger der Armee Wenck – die mit Kindern und alten Männern gegen die unaufhaltsam siegenden Alliierten kämpfen sollte – in Gefangenschaft.
Nach seiner Entlassung arbeitete Genscher zunächst als Hilfsarbeiter und holte im Jahr 1946 seine Reifeprüfung nach. Gegen Ende des Jahres erkrankte Genscher schwer an der Tuberkulose und musste mehrere Monate in einem Sanatorium verbringen, auch litt er in den folgenden Jahren noch weiter unter der damals weitverbreiteten Volkskrankheit. Trotz der gesundheitlichen Probleme beendete Genscher 1949 sein Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft an den Universitäten Leipzig und Halle mit der juristischen Staatsprüfung und arbeitete im Anschluss als Referendar am Oberlandesgericht in Halle. Seit dem Jahre 1946 bis zu seiner Flucht aus der DDR im Jahre 1952 war Genscher Mitglied in der LDP, einer der Blockparteien der damaligen Ostzone.
Seit seiner Flucht über Westberlin in die Bundesrepublik Deutschland war Genscher FDP Mitglied. Er bestand im Jahr 1954 das zweite juristische Staatsexamen in der Hansestadt Bremen und war in dieser Zeit als Anwalt tätig. Während der folgenden Jahre hatte er bei den Freien Demokraten mehrere verschiedene Posten inne und wurde im Jahr 1969 zum Bundesminister des Inneren bei der Rot-Gelben Koalition unter Willy Brand ernannt. In diese Periode fiel auch die Zeit des DEUTSCHEN HERBST mit den Terroranschlägen der PLO auf die Olympischen Spiele in München und die Anschläge der ROTE ARMEE FRAKTION auf Einrichtungen und Personen der Bundesrepublik und der Alliierten Einrichtungen in der Bundesrepublik. Im Jahr 1974 wurde Genscher Außenminister und Vizekanzler unter Helmut Schmidt und war maßgeblich bei der Formulierung der KSZE-Schlussakte in Helsinki beteiligt, in dessen Folge die Ostblockstaaten im Austausch wirtschaftlicher Zugeständnisse der Westmächte ihren Bürgern zumindest theoretisch mehr Menschenrechte zugestehen mussten. Nach dem Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt im Jahre 1982 wurde Genscher auch unter der neuen Bundesregierung unter Helmut Kohl Außenminister und Vizekanzler.
Schon einige Zeit vorher zeichneten sich unüberbrückbare Differenzen zwischen den Regierungsparteien SPD und FDP ab, die letztendlich zum Bruch führten und einer neuen Schwarz-Gelben Bundesregierung die Türen öffnete. Genscher stand immer für eine Entspannungspolitik zwischen Ost und West und gilt als einer der Väter der Deutschen Einheit. Seit dieser Zeit fand eine weitere Annäherung zwischen Ost und West statt, nicht zuletzt durch die immer größer werdenden Kredite, die von der BRD gewährt wurden. Als der damalige sowjetische Präsident Gorbatschow Mitte der 80er Jahre einen radikalen Wechsel in der sowjetischen Außenpolitik vornahm und die Proteste in der DDR immer lauter wurden, konnte die Bundesrepublik unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl ihre sehr guten Kontakte zu den ehemaligen Westalliierten nutzen, um für eine Wiedervereinigung beider deutscher Staaten zu werben. Nach Gorbatschows Staatsbesuch in der Bundesrepublik am 12. Juni 1989 erkannte man, dass es der russische Präsident ernst meinte. In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich beide Länder zur Selbstbestimmung der Völker sowie der Aufhebung der Trennung Europas in Blöcke. Zum selben Zeitpunkt rollte in der DDR fast unbemerkt von Außen und Innen die erste Fluchtwelle in die Botschaften der Bundesrepublik in Prag und Warschau oder über die ungarisch-österreichische Grenze weiter in die Bundesrepublik.
Ende September des Jahres 1989 konnte die Staatsführung der DDR diese immer größer werdenden Probleme nicht mehr ignorieren und erlaubte den Flüchtlingen in Sonderzügen nach Westdeutschland auszureisen. Allerdings sollten diese Züge über das Gebiet der DDR fahren, um den Flüchtlingen „eine letzte Chance zu geben“ und in der DDR zu bleiben (Es handelte sich dabei um eine bewusste und besonders niederträchtige Demütigung der ausreisewilligen DDR-Bürger durch die Betonköpfe der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik unter Erich Honecker und seinem Staatssicherheitsminister Erich Mielke. Im Prinzip hätte der Zug in der DDR jederzeit stoppen können und die Flüchtlinge wären in der Hand von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen – mit allen Konsequenzen wie langjähriger Haft, psychischer Folter und Wegnahme der Kinder. Allerdings waren – den modernen Medien gedankt – die Augen der freien Welt auf diese Züge gerichtet.). Natürlich trat das Gegenteil ein und in den Durchfahrtsbahnhöfen versuchten weitere Menschen in die Züge zu gelangen, was von den ostdeutschen Sicherheitskräften nur mit Gewalt verhindert werden konnte. Nach dieser peinlichen Vorstellung verbot die DDR die Durchfahrt der Züge, die Flüchtlinge konnte dieses Verbot jedoch nicht aufhalten, die polnische Fluggesellschaft LOT übernahm kurzerhand deren Transport. Am 23. Oktober kam es in der DDR zu der größten Demonstration in Leipzig mit etwa 300.000 Teilnehmern. Vierzehn Tage vorher kam es fast zum Blutbad, als zur Niederschlagung der Opposition NVA und Spezialeinheiten des MfS zusammengezogen wurden (Die Kommandeure der NVA (Nationale Volksarmee) haben sich überwiegend ausgesprochen ablehnend gegenüber der Staatssicherheit sowie deren zahlreichen und allgegenwärtigen Erfüllungsgenossen verhalten. Diese Einstellung hat zweifellos zum Gelingen der friedlichen Revolution der Jahre 1989/1990 im Osten Deutschlands – der damaligen DDR – beigetragen.). Nur durch ein mutiges Eingreifen von prominenten Künstlern wurde Schlimmeres verhindert.
Im Dezember 1989 wurden dann erstmals freie Volkskammerwahlen für den 6. Mai 1990 beschlossen. Aufgrund der angespannten politischen Verhältnisse wurden dann die Wahlen auf den 18. März vorverlegt. Die SED hatte indes schon im Dezember – zumindest theoretisch – mit ihrer stalinistischen Vergangenheit gebrochen und den Namen auf PDS umgeändert (Die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)) hatte sich zwar in PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) umbenannt, aber die Mitglieder waren im Wesentlichen die Selben und die alten Rituale des Königsmordes innerhalb der Führungskaste dieser Partei wurden weiter zelebriert. Der Nachfolger Erich Honeckers, Egon Krenz – auch als Hardliner gegen Andersdenkende, für Wahlfälschungen und seine Zustimmung für den blutigen Einsatz der chinesischen Polizei auf dem Platz des Himmlischen Frieden bekannt – verteufelte die Politik seines Vorgängers Honecker, gelobte auch Besserung und verordnete sich selbst den Anschein eines diskussionswilligen und reformwilligen Demokraten. Selbstverständlich lehnten alle aufrechten Bürger der noch existierenden DDR diese überaus üble Person Egon Krenz und die unter neuem Namen – aber mit alten Mitgliedern besetzte – angetretene Partei PDS ab! Die Einheit unseres Vaterlandes war zum Glück nicht mehr aufzuhalten …
Freilich saßen in den Reihen der angeblich reformierten Partei weiterhin die selben politisch vorbelasteten Leute – man muss nur an Egon Krenz, Lothar Bisky und Hans Modrow denken. In der Folgezeit wurden zwischen den beiden Ländern die Vorbereitungen zu einer Wirtschafts- und Währungsunion geschaffen und nach weiteren Verhandlungen mit den ehemaligen Siegermächte USA, Vereinigtes Königreich, Sowjetunion sowie Frankreich konnte am 3. Oktober 1990 die Wiedervereinigung der beiden Deutschen Staaten begangen werden.
Natürlich gehörte Genscher auch dem ersten gesamtdeutschen Bundestag an, der am 2. Dezember 1990 gewählt wurde. Am 18. Mai 1992 schied Genscher auf eigenen Wunsch aus der Regierung aus, zu diesem Zeitpunkt war er Europas dienstältester Außenminister. Genscher ist zum zweiten Mal verheiratet, aus seiner ersten Ehe hat er eine Tochter. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik hatte er verschiedene Ämter inne, unter anderem als Honorarprofessor, Anwalt und Vorstandsvorsitzender. Außerdem war er Präsident der DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR AUSWÄRTIGE POLITIK und der EUROPÄISCHEN BEWEGUNG DEUTSCHLAND. Für sein politisches und soziales Schaffen wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Halle an de Saale ernannt. Weiterhin bekam er eine Fülle von Auszeichnungen so zum Beispiel mehrere Ehrendoktorwürden, die Verdienstorden der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen, das Bundesverdienstkreuz, das Großkreuz der französischen Ehrenlegion sowie das Großkreuz des Verdienstordens der Republik Italien. Genscher fühlte sich zeitlebens mit seiner Heimatstadt Halle an der Saale verbunden und förderte besonders nach der politischen Wende in der DDR das Zusammenwachsen zwischen Ost und West.
Hans-Dietrich Genscher verstarb am 31. März 2016 im Alter von 89 Jahren in seinem Wohnhaus in Wartberg-Pech an Herz-Kreislauf-Versagen. Wir haben ihm – neben seinen Zeitgenossen Helmut Kohl (CDU) und Willy Brand (SPD) – die Einheit unseres Deutschen Vaterlandes ohne Wenn und Aber und ohne Zaudern und Abwarten zu verdanken. Unvergessen ist sein Halbsatz am Abend des 30. September 1989 in der Bundesdeutschen Botschaft in Prag: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise …“ (Das Satzende [… möglich geworden ist.]) ging im Jubel der in der Deutschen Botschaft in Prag auf Ausreise in die BRD wartenden Menschen aus der DDR unter.). Dieser Halbsatz läutete endgültig das Ende der DDR ein. Hans-Dietrich Genscher gehörte zu der Generation von Politikern, die noch etwas bewegt haben – eine Eigenschaft, die der heutigen Politikergeneration anscheinend komplett abhanden gekommen ist. Sein Markenzeichen, der gelbe Pullunder, wird nie mehr in den aktuellen Medien auftauchen. Wir persönlich verneigen uns vor seiner Lebensleistung!