Die Familie Boltze ist seit langer Zeit in der Gegend um Salzmünde im heutigen Saalekreis beheimatet. Hier wurde am 14. Januar 1802 Johann Gottfried Boltze geboren. Sein Vater, während des Militärdienstes bei einem Schießunfall im Alter von 22 Jahren völlig ertaubt und an der rechten Hand schwer verstümmelt, schenkte sich nichts. Durch harte Arbeit ermöglichte er trotz der Widrigkeiten der napoleonischen Zeit und der eigenen Behinderung seiner Familie als Bauer, Gastwirt und Braunkohlegrubenbesitzer einen bescheidenen Wohlstand und, was besonders wichtig war, seinen beiden Söhnen eine gute Ausbildung. Der junge Johann Gottfried Boltze wurde auf die hallesche Privatschule Knorr gegeben. Sein Vater konnte lediglich ein fünftel des Schulgeldes aufbringen. Den Rest schickte er in Form von Lebensmitteln: Mehl, Butter, Speck und Wurst. In den damals schlechten Zeiten hatte auch dies seinen Wert. Und für einen Lehrer in der Großstadt, der selbst keine Landwirtschaft hatte, ganz besonders.
Boltze verlagerte seine Unternehmungen immer mehr dahin, dass er regionale Produkte möglichst stark veredelte und diese erst dann verkaufte (übrigens ein Prinzip dass in der heutigen Wirtschaft in Deutschland völlig negiert wird). Im Jahre 1832 entstand deshalb eine Ziegelei, in der Dachziegel, Klinker, Hohlziegel, Drainagerohre, Fliesen und Schamottesteine hergestellt wurden. Etwa 25.000 Tonnen Ton- und Ziegelerde wurden hier im Jahr verarbeitet, wozu etwa 80.000 Tonnen Kohle verbraucht wurden. Außerdem wurde in den landwirtschaftlichen Betrieben die Viehaltung intensiviert, denn in der Salzmünder Mühle fiel in immer größerer Menge Kleie als erstklassiges Mastfutter an. In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts begann die Zuckerrübe ihren Siegeszug in Deutschland. Im Saalkreis und den westlichen Teilen des Mansfelder Landes waren die Umstände für den Anbau und die Verarbeitung der Zuckerrüben besonders günstig: nährstoffreiche und tiefgründige Lehmböden sowie Braunkohle zum Beheizen der Zuckerfabriken. Boltze jedenfalls nutzte diese Ressourcen für sich und verdiente so auch an der Zuckerrübe. 1847 entstand die erste Zuckerfabrik in Salzmünde, später auch eine Spiritusbrennerei. Außerdem wurde die SALZMÜNDER TIEFKULTUR ((Die Erde wurde 40 Zentimeter tief umgepflügt. Dabei wurde eine geringe Menge des kalkhaltigen Lößes unter die Schwarzerde gemischt. Gleichzeitig wurde der Boden stark aufgelockert. Das spätere sorgfältige Walzen und Eggen machte den Acker besonders krümelig, so dass er das Wasser besser aufnehmen und speichern konnte.)) für den Zuckerrübenanbau entwickelt, wodurch die Erträge deutlich zunahmen. Diese Unternehmen Boltzes ließen eine Menge handwerklicher Nebenbetriebe entstehen, in denen allein 200 Menschen arbeiteten.
1852 gründete Boltze eine ARBEITS-BILDUNGSANSTALT im nahen Quillschina, die nach heutigen Maßstäben eine Berufsschule mit Internat darstellt. Zunächst fanden die männlichen Kinder seiner Salzmünder Arbeiter hier für sechs Jahre eine Ausbildungsstelle. Ihnen wurde freie Wohnung, Kost und Kleidung gewährt – das zu einer Zeit, da für die Ausbildung meist bezahlt werden musste. Um 1855 richtete er außerdem eine Betriebskrankenkasse ein, wozu er nach einem Gesetz vom 03.04.1854 auch verpflichtet war. Dazu kamen ein Kranken- und Invalidenhaus, ein Kindergarten und eine Sparkasse. 1859 gelang es Johann Gottfried Boltze, auch die Versuchsstation des landwirtschaftlichen Zentralvereins der Provinz Sachsen aus Ortrand nach Salzmünde zu holen. Als aufgeschlossener Landwirt förderte er diese Anstalt finanziell in erheblichem Maße. Ein weiterer Umstand arbeitete für den Unternehmer Boltze: viele Bauern wurden landflüchtig. Sie kauften sich Güter im Osten oder zogen mit ihren Ersparnissen in die Städte. Boltze – mit genügend Geld ausgestattet – kaufte ihre Höfe, zahlte bar und feilschte auch nicht. So konnte er seinen Reichtum beträchtlich mehren. Die Höfe verdienten ja mit ihren Produkten Geld. Siehe dazu auch ((Diese Landflucht fand im Wesentlichen in zwei Wellen statt: einmal ab etwa 1835 und dann noch einmal in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg. Viele der Bauern kauften sich größere Höfe in Schlesien oder Westpreußen, denn hier war das Land billig. Andere zogen nach dem Verkauf ihrer Höfe auch nach Halle an der Saale, wo sie von den Zinsen ihrer Ersparnisse lebten. Die Ersparnisse dieser Bauern waren aber im Laufe der Zeit immer weniger Wert, denn die Erzeugerpreise stiegen beständig an. Das war eine Folge des starken Bevölkerungswachstums. Für diese Bauern war die soziale Verelendung oft vorprogrammiert, denn sie konnten ja nicht einfach in die Landwirtschaft zurück.)).
1866 wurde Johann Gottfried Boltze zum Vorsitzenden der Handelskammer gewählt. Bereits schwer krank, trat er dennoch dieses Amt an. Außerdem wurde er zweimal in das Preußische Abgeordnetenhaus bzw. den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt. Das hat ihm, dem Praktiker, jedoch nichts bedeutet. Der Höhepunkt in seinem Leben dürfte jedoch der Besuch des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. gewesen sein. Anfang September 1857 fanden hier die Herbstmanöver des IV. Armeekorps statt, wie immer unter Beteiligung Wilhems IV. Boltze tat alles, um dem von schwerer Krankheit gezeichneten König einige schöne Tage zu gestalten ((Friedrich Wilhelm IV. lebte von 1795 bis 1861. Er wurde 1840 zum König gewählt und trat im Oktober 1857 nach einer Reihe schwerer Schlaganfälle zurück. Seine letzten Lebensjahre waren reine Leidensjahre. Zu den Schlaganfällen, die ihm eine halbseitige Lähmung einbrachten, kam ein schweres Gichtleiden.)). Salzmünde und der Saalkreis profitierten zweifellos vom königlichen Besuch, denn vieles, was verfallen war, wurde restauriert oder neu errichtet. Johann Gottfried Boltze starb 30. Mai 1868, nur einen Tag nach seiner Gattin Ida Bertha. Beide hinterließen vier Töchter ((Boltzes Tochter Auguste Emilie Ida heiratete Leopold August Julius Zimmermann, den Sohn des kgl. Schifffahrtinspektors zu Rothenburg an der Saale. 1915 kam der Besitz der Boltzes/Zimmermanns an die Familie Wentzel aus Teutschenthal. Die Schwester Julius von Zimmermanns, Ella, war seit 1906 mit Carl Wentzel verheiratet. Die Wentzels waren eine nicht minder bedeutende Unternehmerfamilie. Es entstand ein Unternehmen mit etwa 8.000 Hektar Grundbesitz und 6.000 Beschäftigten.)). Im Todesjahr Boltzes betrug sein eigener Besitz 11.250 Morgen, das sind 2.812,5 Hektar oder 281 .250 Quadratmeter, verteilt auf 36 Güter. Dazu kamen noch gepachtete Flächen. In seinen Unternehmen waren etwa 2.000 Menschen angestellt.