Der Unterharz wurde in den vergangenen Jahrhunderten im Wesentlichen fortstwirtschaftlich genutzt. Landwirtschaft war wegen des rauen Klimas, der ertragsarmen Böden sowie der relativen Regenarmut durch das Brockenmassiv und der starken Zergliederung der Harzhochfläche mit tiefen Taleinschnitten nur eingeschränkt möglich. Ackerbau wurde aus den genannten Gründen nur in geringem Umfang betrieben. Die Viehzucht hatte aber eine große Bedeutung. Die Grafen von Mansfeld, denen weite geschlossene Wald- und Wiesenflächen im Unterharz zwischen Mansfeld und Königerode gehörten, betrieben dort eine besondere Art der Pferdezucht.
Die Zucht von Pferden in dieser Gegend hat eine sehr lange Tradition. Bereits um 400 nach Christi Geburt haben die damals im Unterharz ansässigen Thüringer hier eine besondere Pferderasse gezüchtet. Wie diese Pferde aussahen, hat der ostgotische König Theoderich der Große um das Jahr 500 nach Christus durch einen seiner Chronisten beschreiben lassen: „… Brust und Schenkel dieser herrlichen Tiere sind von dem schwellendsten Fleisch gerundet. Zum schönsten Bau wölben sich die Rippen der Brust. Kurz und gedrungen ist der wohlgebaute Leib. Der Kopf ist der eines Hirsches, dem sie auch an Flüchtigkeit gleichen. Bei ihrer gewaltigen Stärke sind sie doch sanft; bei ihrer Wohlbeleibtheit doch unglaublich flüchtig. Schon ihre Gestalt betrachtet man mit inniger Lust, aber der Gebrauch gibt ihnen den höchsten Wert. Leicht und pfeilschnell ist ihr Gang; sie mäßigen ihre Schritte und sind dennoch wegen ihrer Ausdauer des höchsten Lobes würdig …“ (Quelle: /1/)
Die Pferde, über die der Chronist Theoderichs so wortgewaltig schrieb, waren ein Hochzeitsgeschenk des Stammes der Thüringer an Theoderich den Großen zur Vermählung ihres Königs Hermenefred mit Amalberga, einer Nichte Theoderichs. Der Ostgotenkönig Theoderich war ein großer Pferdeliebhaber und konnte zweifellos ein gutes Pferd beurteilen. Inwiefern sich die Rassemerkmale dieser Pferde in den nachfolgenden Jahrhunderten geändert haben, ist nur schwer zu beurteilen. Insbesondere im Hochmittelalter änderten sich aber die Anforderungen an ein kriegstaugliches Pferd, denn die Reiterei wurde immer schwerer bewaffnet und gepanzert, sodass die im Mittelalter von den Grafen von Mansfeld gezüchteten Pferde eher wie ein kaltblütiges Arbeitspferd von heute ausgesehen haben dürften.
Über die Zucht der Pferde zu Zeiten der Grafen von Mansfeld sind wir durch ein Erbbuch des Amtes Rammelburg bestens informiert. Etwa 40 Stuten – die sogenannten WILDEN – wurden ganzjährig frei in den Wäldern um Rammelburg gehalten. Am Georgstag, dem 23. April. eines jeden Jahres wurden drei Hengste – die sogenannten SCHELER – für nur zwei Tage zu den Stuten gebracht. An Maria Geburt – dem 8. September – wurden die Fohlen eingefangen und zu verschiedenen Vorwerken, bevorzugt nach Etzdorf bei Steuden im heutigen Saalekreis gebracht. Die Tragzeit von Pferden beträgt etwa 330 Tage, sodass die eingefangenen Fohlen etwa ein halbes Jahr alt waren und aus der Zucht des vergangenen Jahres stammten.
Im darauf folgenden Frühjahr wurden die Jungpferde wieder in das Amt Rammelburg in der Grafschaft Mansfeld gebracht und in die Herde eingegliedert. Für die jungen Hengste wiederholte sich das, bis die Jungpferde zwei oder drei Jahre alt waren. Die jungen Stuten wurden nach dem ersten Winter immer in der Herde der WILDEN belassen. Die WILDEN bekamen auch im strengsten Winter keine zusätzliche Fütterung. Zur Pflege der Stuten waren immerhin Hirten eingestellt. Die Stuten wurden im Winter abends zusammengetrieben und zwischen St. Georg und Maria Geburt auch über Nacht besonders verwahrt. Hintergrund war die den Bauern seit uralter Zeit erlaubte Viehdrift in die Wälder, auf die später noch eingegangen wird. Offenbar wollte man damit verhindern, dass sich ein Hengst aus den umliegenden Bauerndörfern über die rossigen gräflichen Stuten hermachte.
Die Hirten erhielten für ihre Arbeit einen Lohn von 8 Gulden im Jahr. Dazu kamen 30 Scheffel Korn (etwa 1.500 Kilogramm), ein Schwein, zwei Märzenschafe, eine halbe Tonne Käse (etwa 50 Kilogramm) und ein „Häflein“ Butter (Menge oder Masse nicht genau bestimmbar). Diese Entlohnung reichte immerhin, um nicht zu hungern und zeigt, welche wirtschaftliche Bedeutung die Pferdezucht für die Grafen von Mansfeld hatte. Brot war allerdings damals das Hauptnahrungsmittel und mit dem Korn musste auch das Schwein gemästet werden …
Eine Erinnerung an die Pferdezucht im Amt Rammelburg hält bis heute die alte Försterei WILDENSTALL bei Wippra wach. Der WILDENSTALL ist heute ein Jugendwaldheim mit einem umfangreichen Betreuungsangebot für naturbegeisterte Jugendliche – oder vielmehr deren Eltern. Der Flurname WILDENSTALL – oder Stutenstall – entstand im 17. Jahrhundert. Die Auswirkung der Pferdezucht auf den Ertrag der Wälder lässt sich heute nicht mehr bestimmen. Zusätzlich zur Pferdezucht dürfte jedoch auch das uralte Recht der Bauern auf die Viehtrifft das Ökosystem Wald im Unterharz gestört haben.
Die Viehtrift bezeichnet das uralte Recht der Bauern, ihre Schafe, Kühe und Schweine zur Mast in den Wald zu treiben. Um 1790 war der Zustand des Waldes insbesondere durch die in den Wald getriebenen Schafe und Rinder derart schlecht, dass kein Jungwuchs mehr aufkommen konnte. Der Schaf- und Rindbesatz war höher, als es die vorhandenen Weideflächen zuließen. Dazu kam, dass an einer Stelle, wo Schafe weideten, Rinder nicht mehr fressen mochten. Die Rinder fraßen daher an den Blättern der jungen Bäumen, die für Schafe wegen ihrer Höhe nicht zu erreichen waren und die Schweine fraßen am Ende in jedem Spätherbst die frisch gefallenen Eicheln und Bucheckern weg und unterdrückten so jede neue Saat. Außerdem wurde der Wald des Unterharzes mit dem Auffinden der Kupferschiefervorräte am Kupferberg bei Hettstedt durch die Bergknappen NAPPIAN und NEUCKE um das Jahr 1200 n. Chr. zu einem wichtigen Wirtschaftsgut. Aus den Bäumen wurde Holzkohle erzeugt, die für das energieintensive Erschmelzen des Kupfers und Silbers aus dem Kupferschiefer notwendig war.
Der Wald wurde also doppelt geschädigt: Zum Einen wurde eine nicht nachhaltige Fortswirtschaft betrieben und der Altbestand des Waldes für die Holzkohle ausgebeutet. Zum Anderen wurde der natürliche Jungwuchs durch das übermäßige Beweiden unterdrückt. Erst in den 1850er Jahren wurde die Viehtrift per Gesetz in gemeindefremden Wäldern untersagt. Die Zahl der Schafherden sank allmählich und auch in den gemeindeeigenen Wäldern nahm die Schädigung durch das Tierbestände der Bauern ab. Der Wald konnte sich langsam wieder erholen. Dazu trug auch der technische Fortschritt bei, durch den immer mehr importierte Steinkohle zur Verhüttung des Kupferschiefers genutzt wurde. An die Zeit der Viehtrift im Amt Rammelburg erinnert heute noch der Flurname HAMMELTRIFT zwischen Rammelburg und Friesdorf ((Noch 1833 wurde die Viehtrift im Harz hochgelobt. Heinrich Meidinger schrieb dazu: „… Den östlichen Unterharz bedecken die schönsten, unter trefflicher Verwaltung stehenden Laubwälder. (In mehreren Harzstädten befinden sich besondere Forstakademien.) Dazwischen zeigen sich freundliche Thäler und üppige Wiesen und Viehtrifte. Die Viehhöfe sind großtentheils nach Schweizer Art. Die Harzer Käse und Butter, obgleich nicht so fett, wie die der Marschländer, zeichnen sich durch einen feinen, aromatischen Geschmack aus…“ Meidinger H.: „Die Deutschen Volksstämme“; Frankfurt am Main; Johann Valentin Meidinger; 1833.)).
Quellenangabe:
/1/ Schotte, H.:
„Rammelburger Chronik“
Verlag Steffen Iffland Nordhausen
2. Auflage 2006
ISBN 3-9808937-6-6
Externe Links:
Reiten in Siferling in Oberbayern – MARGARETE RAUSCHMEIER
http://www.siferling-reiten.de