Zuletzt geändert am 13. Dezember 2012 von
An der Straße B86 zwischen Hettstedt und Großörner fällt in südlicher Richtung – unmittelbar neben der Wipper – ein großer Bockkran auf. Der Bockkran gehörte bis zur Wiedervereinigung zur so genannten Bessemerei des VEB MANSFELD KOMBINAT WILHELM PIECK. Mithilfe dieses Kranes wurde der von Rohhütten mittels Werksbahn angelieferte Rohstein, aber auch notwendige Zuschlagstoffe, in eine Bunkeranlage umgeladen.
Nachdem sich in den Vereinigten Staaten nach 1880 abzeichnete, dass sich das ursprünglich für die Stahlerzeugung entwickelte Bessemerverfahren auch gewinnbringend in der Kupfererzeugung einsetzen ließ, wurde 1906 auf der Kupferkammerhütte (die Ruinen derselben stehen nördlich der B86) eine Versuchsanlage in Betrieb genommen. Die Versuche dürften jedoch nicht sehr erfolgreich verlaufen sein, denn schon 1908 wurde diese Anlage wieder stillgelegt.
Diese Entscheidung hatte übrigens weitreichende geschäftliche Konsequenzen, denn für die Mansfeld AG bedeutete die Schritt bis in das Jahr 1938 die Festlegung auf Kupferschiefer zur Gewinnung des Reinkupfers. 1924 wurde die Bessemerversuchsanlage wieder reaktiviert. Nur zweieinhalb Jahre später wurde südlich der Wipper die Bessemerei in Betrieb genommen. Sie war so geplant, dass der gesamte Rohstein der Mansfeld AG verarbeitet werden konnte.
Der Bessemerprozess lief in zwei Schritten ab:
- In einem ersten Schritt oxidierte das im Rohstein gebundene Eisensulfid unter Einblasung von Luft und Zugabe von Quarzsand. Dabei entstand einerseits eine Schlacke und andererseits Schwefeldioxid. Dieser Schritt verlief exotherm, das heißt unter Wärmeabfuhr. Es musste also keine zusätzliche Energie zugeführt werden, wenn die Oxidation erst einmal lief.
- In einem zweiten Schritt wurde das verbleibende Kupfersulfid, der so genannte Spurstein, ebenfalls unter Lufteinblasung, zu Kupfer und Schwefeldioxid umgesetzt.
Das so gewonnene Schwarzkupfer hatte einen Reinheitsgrad von etwa 97 bis 98 Prozent Kupfer, daneben waren etwa 0,5 bis 0,6 Prozent Silber und etwas geringere Nickelanteile. Das freigesetzte Schwefeldioxid wurde übrigens in einer Kontaktanlage zu Schwefelsäure und Oleum, also Schwefelsäure mit gelöstem Schwefeltrioxid, verarbeitet.
1938 kam zur Bessemerei eine Kupferelektrolyseanlage, die im Jahre 1942 ihre volle Produktionskapazität erreichte. Im Prinzip war die Errichtung der Einheit aus Bessemerei, Kontaktanlage und Elektrolyse die letzte große verfahrenstechnische Innovation auf den Hüttenbetrieben der Mansfeld.
Mit der gesellschaftlichen Wende 1989 wurden die Proteste der Bevölkerung gegen die Umweltbelastungen, die von der Bessemerei und der Kontaktanlage ausgingen, immer zahlreicher und lauter. Die hohen Emissionen an Schwefeloxiden waren auch zweifellos ein nahezu unlösbares Problem. Die Aggressivität dieser Gase führte zu extremen Korrosionserscheinungen an den Anlagen und es kam oft zu Gasaustritten.
Bereits gegen Ende des Jahres 1989 wurde der Komplex Bessemerei außer Betrieb genommen. Im Jahre 1992 wurden bis auf zwei Ausnahmen sämtliche Anlagenteile und Hallen abgerissen. Von der Bessemerei blieben nur die Kompressorstation und der Rohsteinkran als Technische Denkmale erhalten. Die Kompressorstation konnte zumindest in den vergangenen Jahren am Tag des Offenen Denkmales besichtigt werden.