Zuletzt geändert am 9. Dezember 2012 von Birk Karsten Ecke
Alexisbad im Harz im 19. Jahrhundert
Der kleine Ort Alexisbad – romantisch im Tal der Selke inmitten des Ostharzes gelegen – hat eine sehr lange Bergbautradition. Aber auch als Kurort hatte sich Alexisbad in früheren Zeiten einen guten Namen erworben. Im Jahre 1766 wurde die heilende Wirkung des Wassers eines Bergwerkstollens entdeckt und für Kuren verwendet. Herzog Alexius Friedrich von Anhalt-Bernburg gründete im Jahre 1810 das Alexisbad. Bald entwickelte sich Alexisbad zu einem Ort für eine illustre Gesellschaft. Es wurde eine Spielbank eröffnet, zu der auch einfache Leute Zutritt hatten.
Daneben verkehrten in der Alexisbader Gesellschaft auch überregional bekannte Größen wie der Komponist und Dirigent Carl Maria von Weber. Die Herzöge von Anhalt-Bernburg hielten zu jener Zeit ihren Sommersitz in Alexisbad. Auch damals unterlagen die Dinge einer gewissen Mode und bereits nach nur vierzig Jahren war der einstige Glanz des Ortes Alexisbad in Vergessenheit geraten. Die Infrastruktur für größere Veranstaltungen blieb jedoch erhalten – und der Ton im Ort war höflich, aber alles andere als höfisch. Im Jahre 1847 traf sich jedenfalls in Alexisbad der ANHALTISCH-MANSFELDISCHE BERG- UND HÜTTENVEREIN.
Die Gründung des VDI
Der Ingenieur Friedrich Euler gründete im Jahre 1846 den studentischen Verein DIE HÜTTE. Im Verein kam bald die Idee, fertig ausgebildete und berufstätige Ingenieure an sich zu binden. Es sollte ein großer und länderübergreifender Verein entstehen. Der Hüttenmeister und Leiter der Eisenhütte Carl Bischof aus dem nahen Mägdesprung – ebenfalls auf dem Gebiet der Herzöge von Anhalt-Bernburg gelegen – nahm diesbezüglich Verbindung zum Ingenieur und Professor der theoretischen Maschinenlehre Franz Grashof ((Nach Franz Grashof ist die Grashof-Zahl, eine dimensionslose Kennzahl der Strömungslehre, benannt.)) in Karlsruhe auf und schlug Alexisbad als Gründungsort für den neuen Verein vor. Die Entscheidung fiel im Sinne Bischofs und Friedrich Euler, Carl Bischof und Franz Grashof wurden zu Gründervätern des VEREINS DEUTSCHER INGENIEURE. Die landschaftlich schöne und zentrale Lage im damals noch zersplitterten und von oft gegensätzlichen Interessen der Landesherren geprägten Deutschland dürfte einen Ausschlag gegeben haben ((Deutschland befand sich am Vorabend des Deutschen Krieges, mit dem Preußen seine Vormachtstellung in Deutschland sichern konnte. In diesem Krieg standen sich der Deutsche Bund, der vor allem aus Ländern Süddeutschlands, aber auch das Königreich Hannover und der Stadt Frankfurt am Main bestand, und dem Norddeutschen Bund mit Preußen und dem Herzogtum Anhalt sowie weiteren Staaten, in blutigen Schlachten gegenüber. Staatsgrenzen verliefen damals nicht selten mitten durch Dörfer, wie Wiederstedt und Wolferode eindrucksvoll zeigen. )).
Über 120 Mitglieder des Vereins DIE HÜTTE trafen sich am 12. Mai 1856 in Halberstadt. Die Domstadt war damals die nächstgelegene Endstation des noch dünnen Eisenbahnnetzes. Die Vereinsmitglieder wurden in geschmückten Leiterwagen nach Alexisbad gefahren. Um 17:00 Uhr fand der offizielle Teil der Gründungsveranstaltung des VDI sein Ende, nachdem die sogenannten LEITERWAGENSTATUTEN angenommen waren und das Gründungsprotokoll von 23 Personen unterschrieben wurde. Der Hüttenmeister Carl Bischof sollte 1858 den Vorsitz des VDI übernehmen. Er lehnte jedoch diesen Posten ab – mit der Begründung, dass sein Wohnort Mägdesprung zu abgelegen sei. Heute erscheint diese Begründung nicht mehr nachvollziehbar, aber man muss sich den technischen Stand jener Zeit einmal vor Augen führen. Die Technik hatte das Leben der Menschen in den deutschen Staaten noch nicht nachhaltig geprägt. Reisen war ein Luxus und wenn, dann fand eine Reise meist mit dem Pferdewagen statt. Man ging zu Fuß und wer es sich leisten konnte, ritt zu Pferde oder reiste in einer Kutsche. Das Leben verlief vergleichsweise gemächlich und gleichförmig.
Dennoch war es die Zeit großer technischer Fortschritte und der Ingenieurstand begann, die Gesellschaft rasant weiterzuentwickeln. Die Eisen- und Stahlindustrie war im Entstehen und ein Eisenbahnnetz verband nach und nach auch die abgelegen Gebiete Deutschlands. Der Gutsherr, der seine Leute für einen geringen Tagelohn arbeiten lassen konnte, war nicht mehr der GNÄDIGE HERR. Viele seiner Knechte liefen nun in die Hütten und Walzwerke, in denen sie – zweifellos mit schwerer und gefährlicher Arbeit – ein Vielfaches verdienen konnten. Dieser im Entstehen begriffene technische Fortschritt war es auch, der letztlich zur Gründung des VDI führte. Bis in die Gegenwart ist sein Leitmotiv: „Der Verein bezweckt ein inniges Zusammenwirken der geistigen Kräfte deutscher Technik zu gegenseitigen Anregung und Fortbildung im Interesse der gesamten Industrie Deutschlands.“
Das VDI Denkmal in Alexisbad
In Alexisbad wurde im Jahre 1931 ein Denkmal zum 75. Jahrestag der Gründung des VEREINS DEUTSCHER INGENIEURE errichtet. Diese Statue wurde 1981 – Deutschland war damals geteilt – nach Düsseldorf gebracht und vor dem INGENIEURHAUS aufgestellt. Die jetzt in Alexisbad stehende Statue wurde nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten im Jahre 1993 errichtet. Es erinnert noch heute an die Gründung des VDI in diesem kleinen Ort im Harz. Der VEREIN DEUTSCHER INGENIEURE hat heute 140.000 Mitglieder.
Alexisbad in der Gegenwart
Alexisbad hat jetzt noch knapp über vierzig Einwohner. Der kleine Ort ist seit 1887 ein Knotenpunkt der HARZER SCHMALSPURBAHN. Hier treffen die Stecken von Gernrode, Hasselfelde und Harzgerode zusammen. Das Bahnhofsgebäude ist allerdings geschlossen und verrottet zusehends. Die einzige Erwerbsquelle der Einwohner ist der Tourismus. Alexisbad wird neben der HARZER SCHMALSPURBAHN auch von Q-BUS NAHVERKERKEHRSGESELLSCHAFT aus Ballenstedt befahren. Der Schriftsteller Walter Kempowski beschrieb seine Jugenderinnerungen an Alexisbad in seinem Roman TADELLÖSER UND WOLF unter dem Synonym SOPHIENBAD.