Zuletzt geändert am 2. Dezember 2012 von Birk Karsten Ecke
Aschersleben ist eine der ältesten Städte Im Bundesland Sachsen-Anhalt. Eine entsprechende Tradition haben daher auch einige der Kirchen- und Profanbauten in der Stadt aufzuweisen. Zu diesen gehört auch die Kirche St. Stephani im Stadtkern Ascherslebens. Die Ursprünge dieser Kirche gehen bis vor das Jahr 827 zurück, denn sie gehörte zu den ersten der 35 durch Bischof Hildegrim von Chalons gegründeten Archidiakonatskirchen der Region ((Nach alten sächsischen Schriften hat der erste Bischof von Halberstadt – der besagte Hildegrim von Chalons – während seiner bis in das Jahr 827 dauernden Amtszeit insgesamt 35 dem Heiligen Stephanus geweihte Pfarrkirchen errichten lassen. Ein Archidiakonat war eine verwaltungsmäßig dem Bistum unterstellte Verwaltungseinheit. Die Archidiakonen waren somit abhängige Stellvertreter des Bischofs. Im 13. Jahrhundert nahm die Bedeutung der Archidiakonate ab, weil ihre Rechte immer mehr eingeschränkt wurden. In späterer Zeit wurden sie vollkommen unbedeutend.)).
Das Patronatsrecht über die Kirche St. Stephani oblag zuerst den Fürsten zu Anhalt. Spätestens im Jahre 1526 ging es aber an den Magistrat der Stadt Aschersleben über. Die Reformation fand übrigens schnell Anhänger in Aschersleben – die Bürger verweigerten dem damaligen Hauptpfarrer Weber die Gefolgschaft, indem sie im Jahre 1524 ausdrücklich einen evangelischen Nachmittagsprediger forderten. der Magistrat kam dieser Forderung nach, ohne jedoch an die Befindlichkeiten des zuständigen Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz, Kardinal Albrecht, zu denken. dieser setzte den evangelischen Pfarrer Andreas Sachse kurzerhand ab. Allerdings legte auch der katholische Vormittagsprediger 1527 sein Amt nieder.
Es gab von da an einen ständigen Wechsel zwischen katholischen und evangelischen Predigern, bis im Jahre 1542 endgültig die Reformation eingeführt wurde. Kaiser Rudolf II. versuchte 1591 den katholischen Gottesdienst wieder in Aschersleben einzuführen, womit er aber scheiterte. Seit dem Jahr 1526 übernahm übrigens die Stadt Aschersleben die Besoldung der Prediger, wozu sie aber vom Marienkloster Getreide und Geld bekam, bis 1538 das Kloster seine Zahlungsunfähigkeit erklärte.
Die Stephanikirche ist eine im gotischen Stil errichtete Hallenkirche ohne Querschiff. Wie die Vorgängerbauten aussahen, wissen wir heute nicht mehr. Es ist zu vermuten, dass der erste Kirchenbau aus dem 9. Jahrhundert aus Holz bestanden hat. Danach hat es auf jeden Fall noch einen romanischen Bau gegeben. Eine Besonderheit dieser Kirche stellt das Westportal dar. Von den ursprünglich geplanten zwei Türmen wurde nur der Südturm vollendet. Die Spitze des Nordturmes endet nur knapp oberhalb der Höhe des Mittelbaues. Dennoch wirkt das Westportal auf den Betrachter als geschlossene Einheit und nicht etwa unfertig. Die Kirche steht auf dem Schwemmsand des Flüsschens Eine, und so hat sich das Westportal schon während der Bauphase deutlich geneigt. Das ist auch der Grund, weshalb nur ein Turm fertiggestellt wurde.
Die Türme stehen mit dem Kirchenschiff auch nicht in einer Flucht. Der angedeutete Nordturm springt fast einen halben Meter gegenüber dem Kirchenschiff vor, beim Südturm sind es sogar über eineinhalb Meter. Das Westportal steht auch nicht rechtwinklig zur Mittelachse des Kirchenschiffes. Das Turmportal steigt in einer auf den Betrachter gewaltig wirkenden Masse unvermittelt aus den umliegenden Häusern auf – und die Maße des Portals sind wirklich gewaltig. Die Länge des Westportals beträgt 28,5 Meter, seine Höhe ohne Dach und Turm etwa 25 Meter.
Der südliche fertiggestellte Turm steigt bis auf vier Geschosse herauf, von denen das erste 14,5 Meter, das zweite 12,5 Meter und das dritte und vierte jeweils 11,0 Meter hoch ist. Zusammen mit der genialen Dachkonstruktion, die alleine schon eine Höhe von 28 Metern aufweist, ergibt sich eine Gesamthöhe von 80,8 Meter. kein Wunder, dass dieser Kirchturm die Landmarke der Stadt Aschersleben ist. Die Mauerstärke des Südturmes beträgt an seinem Grund 3,58 Meter und verjüngt sich dann auf immerhin noch 2,7 Meter.
Diese Wandstärken sind bei dieser Bauweise auch erforderlich, um die enormen Kräfte, die aus der Masse des Turmes sowie Schnee- und Windlasten entstehen, sicher aufnehmen zu können. Der Nordturm ist noch massiver ausgeführt. Im nahezu quadratischen Untergeschoss mit etwa 10 Metern Seitenlänge ist abgesehen von der im Durchmesser etwa 2,6 Meter messenden Wendeltreppe und einem sich verjüngendem Fenster alles massives Mauerwerk! Von außen fallen am Westportal oberhalb des Einganges besonders die drei Figuren und ein langer und tiefer Riss in der Wand auf.
Die Geschichte des Westportals und des Nordturmes ist hoch interessant. Mit dem Bau wurde im Jahre 1469 begonnen. Dem Baumeister wird wohl eine Ausführung des Portals und der Türmen ähnlich der des Doms zu Halberstadt vorgeschwebt haben. Man baute den Nordturm zügig bis zur Höhe des dritten Geschosses. Obwohl die Mauern -wie oben erwähnt – ungeheuer massiv waren, konnten die Fundamente wegen des an sich ungeeigneten Baugrundes wahrscheinlich die Masse des Turmes nicht aufnehmen. Das Westportal senkte sich beachtlich nach Norden. Um nicht das ganze Portal einstürzen zu lassen, beendete man die Aufführung des Nordturmes und konzentrierte sich -sozusagen als Gegengewicht – auf den Südturm.
Das Hauptschiff der Stephanikirche hat eine Länge von 38,9 Metern. Es besteht aus einem 12,1 Meter breitem Mittelschiff und und zwei Seitenschiffen, die eine Breite von 4,9 Metern und 5,2 bis 5,4 Metern – nördliches und südliches Seitenschiff – haben. Die Seitenschiffe werden durch jeweils 5 achteckige Pfeiler vom Hauptschiff abgetrennt. Die Kreuzgewölbe sind durch Querrippen von einander abgetrennt. Die zugehörigen Wandkonsolen weisen eine geradezu zierliche Größe auf. In den Schiffen und dem Bereich der Orgel sind teils alte wertvolle Gemälde aufgehängt. Ein großer Flügelaltar im nördlichen Seitenschiff gedenkt der zahlreichen Gefallenen der Stadt Aschersleben im Ersten Weltkrieg.
Mit dem Westwerk und den Türmen wurde – wie bereits erwähnt – im Jahre 1469 begonnen. 1480 wurde der Bau des Kirchenschiffes in Angriff genommen. Man baute die Mauern der neuen Stephanikirche um die der alten Kirche herum. Die alte Kirche wurde 1496 restlos abgebrochen. Im Jahre 1507 wurde die neue Kirche St. Stephani geweiht. Dennoch wird man an der Kirche zu allen Zeiten gebaut haben. Auch hatte die alte Kirche einen anderen Aufbau als die heut noch bestehende. Als das Westportal mit dem Südturm aufgeführt wurde, war sie Stephanikirche eine dreischiffige Basilika mit Langhaus, Querschiffen und Altarhaus, sehr wahrscheinlich auch mit einer Apsis.
Die Querschiffe können insgesamt nicht breiter gewesen sein, als die heutige Kirche. Ansonsten hätte man die jetzige gotische Kirche nicht um die alte Kirche herum bauen können. Zur Ausrichtung der Kirche – in Mitteldeutschland haben fast alle Kirchen den Turm im Westen und die Apsis der aufgehenden Sonne zugewandt, also im Osten – wurde in der Regel ein Kompass verwendet. Vielleicht erklärt das auch die Winkelabweichung des älteren Westportals von der Ausrichtung der Mittelachse des Kirchenschiffes.
Die Glasfenster auf der Altarseite des Kirchenschiffes jedenfalls wurden erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts eingebaut. Eines der Fenster auf der linken Seite erinnert mit einer farbigen Glasscheibe an einen der fähigsten und angesehensten Generale des Zweiten Weltkrieges, nämlich an Gerd von Rundstedt, der 12.12.1875 in Aschersleben geboren wurde. Das Glasfenster überlebte auf seltsame Weise die Zeiten der DDR – wohl auch weil noch heute kaum ein Ascherslebener mit dem genialen Feldmarschall etwas anzufangen weiss.