Zuletzt geändert am 5. Juni 2022 von Birk Karsten Ecke
Johannes Agricola wurde am 20. April 1492 in Eisleben geboren. Sein Vater nannte sich Albrecht Schnitter und war von Beruf Schneider. Der Nachname Agricola leitet sich aus dem lateinischen Wort Bauer ab. Weitere Rufnamen des Johannes Agricola waren Johann Schneider, Johannes Eisleben, Magister Islebius oder Hans Bauer. Agricola genoss eine für seine Zeit ausgezeichnete Schulbildung. Zuerst besuchte er das Martino-Katharineum in Braunschweig und 1506 ging er an eine Schule in Leipzig, wo er im Jahre 1509 an der Universität ein Studium begann. Nach dem Baccalaureat ((Der Baccalaureus – heute Bachelor – ist der erste akademische Grad.)) ging er zurück nach Braunschweig und arbeitete als Lehrer.
1516 ging Agricola an die Universität Wittenberg und schrieb sich dort als Student ein. In Wittenberg lernte er seine berühmten Zeitgenossen Martin Luther und Philipp Melanchton kennen. Hier erlebte er 1517 den berühmten Anschlag der 95 Thesen an der Tür der Schlosskirche durch Martin Luther. Johannes Agricola legte im Herbst des Jahres 1519 an der Universität Wittenberg das Baccalaureat der Theologie ab und hielt dann auch Vorlesungen an der theologischen Fakultät. Er war Vorsteher des Pädagogikums und Prediger. Agricola war zu dieser Zeit ein häufiger Begleiter Martin Luthers. Er nahm an der LEIPZIGER DISPUTATION zwischen Dr. Eck und Martin Luther sowie Philipp Melanchton teil. Er war auch zugegen, als Martin Luther die Bannandrohungsbulle des Papstes Exsurge Domine verbrannte ((Mit dieser Bulle wurde Martin von Papst Leo X. aufgefortert, binnen 60 Tagen 41 seiner Thesen zurückzunehmen. Im Weigerungsfalle wurde Luther die Exkommunikation, also der Ausschluss aus der Kirche angedroht.)).
Im Jahre 1521 begann Agricola ein Medizinstudium. Auf Drängen seiner Frau und des Reformators Justus Jonas der Ältere brach er dieses Studium ab und wirkte wieder als Theologe. 1525 zog er in seine Geburtsstadt Eisleben zurück und wurde Pfarrer an der Kirche St. Nikolai und Leiter der gerade gegründeten Lateinschule in der Alten Superintendantur in unmittelbarer Nähe zur Kirche St. Andreas oberhalb der Rathauses. Von den Fürsten wurde Agricola als ausgezeichneter Prediger geschätzt. Das verschaffte ihm Zugang zu den bedeutenden Herrscherhäusern seiner Zeit. Er begleitete den Kurfürsten Johann den Beständigen von Sachsen als Hofprediger auf die Reichstage in Speyer und Augsburg. Er wirkte am AUGSBURGER GLAUBENSBEKENNTNIS – der CONFESSIO AUGUSTANA – mit. In diesem Glaubensbekenntnis sind die Grundlehren der evangelischen Kirche formuliert.
1527 kam es zu ersten Spannungen mit Philipp Melanchton und Martin Luther. Luther hatte Kirchenvisitationen angeregt, woraufhin Melanchton schriftlich forderte, unbußfertigen Personen unter Androhung des göttlichen Gesetzes zur Buße zu treiben. Als Johannes Agricola dies erfuhr, intervenierte er. Luther stellte sich hinter Melanchton und ermahnte Agricola zur Ruhe. Die Kirchenvisitationen waren bei der Bevölkerung außerordentlich unbeliebt – und wer es irgendwie einrichten konnte, blieb ihnen fern. Auch mit seinem Landesherren, dem Grafen Albrecht von Mansfeld kam es zu Konflikten. 1536 legte Agricola deshalb alle seine Ämter in Eisleben nieder und zog nach Wittenberg, wo er bei Martin Luther unterkommen konnte. Zu dieser Zeit hatte Agricola bereits 9 Kinder. Agricola vertrat den Reformator während dessen Abwesenheit als Prediger und Lehrer an der Universität zu Wittenberg. Nach der Rückkehr Martin Luthers von einem Treffen des SCHMALKALDISCHEN BUNDES löste sich Agricola von Luther. Es kam zu einem Disput zwischen beiden, der zwischen kontrovers und versöhnlich hin und her wechselte. Der Kurfürst von Sachsen stellte daraufhin Agricola praktisch unter Hausarrest – sein Aufenthaltsrecht wurde auf Wittenberg beschränkt.
Da Johannes Agricola seine Familie durch den Streit mit Martin Luther nicht gefährden wollte, verließ er heimlich Wittenberg. Er wurde schon vorher vom Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg als Oberhofprediger eingestellt – eine günstige Ausgangslage für eine Flucht. Agricola war neben seinem Amt als Oberhofprediger auch Generalsuperintendent und Kirchenvisitator. In diesen Funktionen war er maßgeblich am Aufbau einer evangelischen Kirche für Brandenburg beteiligt. Seine Mitarbeit am durch Kaiser Karl V. initiierten AUGSBURGER INTERIM brachte ih allerdings im Jahre 1548 den öffentlichen Hohn der Protestanten ein. Mit dem AUGSBURGER INTERIM wollte der katholische Kaiser nach seinem Sieg über den SCHMALKALDISCHEN BUND seine Vorstellungen über die religiösen Verhältnisse in Deutschland für eine kurze Übergangszeit durchsetzen. Später sollte ein Konzil über die Wiedereingliederung der evangelischen Gläubigen in die Katholische Kirche entscheiden. Das dabei fundamentale protestantische Glaubensgrundsätze auf der Strecke blieben, ist selbstverständlich. Doch bei den Katholiken stieß das AUGSBURGER INTERIM auf Widerstand, sodass sich Kaiser Karl V. im Jahre 1552 gezwungen sah, das Interim zurückzunehmen. Die Spaltung in zwei christliche Kirchen war damit besiegelt.
Nach dem Tode Martin Luthers im Februar 1546 konnte Philipp Melanchton die Führung der Protestanten übernehmen. Melanchton und die nach seinem Vornamen bezeichneten PHILIPPISTEN akzeptierten, dass im Gottesdienst gewisse lithurgische Handlungen der Katholiken beibehalten werden sollten. Johannes Agricola gelang es jedoch, die Position der evangelischen Kirche in Brandenburg gegen die PHILIPPISTEN zu verteidigen. Er war ein Anhänger der so genannten GNESIOLUTHERANER um Matthias Flacius, der später den unseligen FLACIANISCHEN STREIT entfachte. Agricola sammelt insgesamt 750 deutsche Sprüche, die er auch veröffentlichte. Auch während des MITTELDEUTSCHEN BAUERNKRIEGES nahm er eindeutig Stellung – gegen die unter unsagbarer Unterdrückung leidenden aufständischen Bauern! Am 22. September 1566 starb Johannes Agricola während einer Pestepidemie in Berlin. Einer seiner Söhne wurde später Bürgermeister in Berlin.