Zuletzt geändert am 2. Dezember 2012 von Birk Karsten Ecke
Im Jahre 1855 suchten 12 junge Familien in Langenstein bei Halberstadt eine Wohnung. Da das Geld knapp war und Kredite nicht gewährt wurden, wandten sie sich an den Gemeinderat. Dieser empfahl den Wohnungssuchen, sich ihre Unterkunft in den am Schäferberg zu Tage tretenden Sandstein zu schlagen. Dieser Rat war ernst gemeint – und zudem pragmatisch, denn in Langenstein gab es bereits seit 1787 in der Nähe der Altenburg oberhalb der heutigen Dorfstraße eine Felsenwohnung. Die neuen Wohnungen wurden mit Hammer und Meißel in den relativ weichen Sandstein getrieben. Die Wohnungen bestanden aus aus Wohnzimmer, Küche, meist mehreren Schlafräumen oder Schlafnischen und einer kleinen Vorratskammer.
Die Bewohner dieser Höhlenwohnungen waren in die Dorfgemeinschaft integriert und wurden nicht etwa als Außenseiter oder Elende angesehen. Das Wohnklima in den Höhlen dürfte im Jahresrhythmus von heißen Sommern und kalten Wintern angenehm gewesen sein ((Meine Großmutter – sie ist Jahrgang 1928 und hatte 8 Geschwister – erzählt noch heute gern die Geschichte, wie im Winter oft Schnee auf ihrer Daunendecke lag. Sie sowie ihre Brüder und Schwestern hatten ihr Bett auf dem Dachboden direkt unter den Ziegeln. Sie betont noch heute, dass dies abgehärtet hat (wenn man nicht von Haus aus eine schlechte Gesundheit hatte …).)). Die Wohnungen waren durch ihre Lage unter der Erde im Sommer angenehm kühl und im Winter konnten sie durch Öfen beheizt werden. Bei der Beurteilung der Platzverhältnisse in den Höhlenwohnungen sollten heutige Besucher bedenken, dass zu dieser Zeit auch in gebauten Häusern oft mehrere Generationen in zwei Zimmern lebten – und die Menschen damals kleiner und weit schmächtiger waren. Das grandios geschriebene Buch PREUSSENS KRIEG UND FRIEDEN gibt beredte Auskunft über diese Zeit ((Geschichtlich interessierten sei das Buch PREUSSENS KRIEG UND FRIEDEN empfohlen. S. Fischer-Fabian: Preußens Krieg und Frieden – Der Weg ins Deutsche Reich, Bergisch Gladbach, 2008 – Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG – ISBN 978-3-404-64229-8. Das Buch beschäftigt sich intensiv mit der Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches um das Jahr 1850.)).
Diese Höhlenwohnungen wurden etwa 40 Jahre lang bewohnt. In dieser Zeit entstanden oft – für heutige Verhältnisse – malerische Vorgärten mit einer schönen Aussicht auf das Dorf und die Umgebung. Dann bauten die meisten der Bewohner sich feste Häuser im Ort – ein Zeichen gestiegenen Wohlstandes in der Kaiserzeit vor den Ersten Weltkrieg. Die Höhlen wurden als Vorratsräume weiter genutzt. Die letzte Höhlenwohnung in Langenstein – es war die des Karl Rindert an der Altenburg. Sie wurde erst im Jahre 1916 aufgeben. Seine Wohnung dürfte eine der ältesten sein und möglicherweise bis in das späte 12. Jahrhundert und die Erbauung der Burg zurückgehen ((Im Jahre 1177 ließen die Bischöfe von Halberstadt am LANGEN STEIN eine Burg erbauen. In diese bezogen sie Höhlen aus germanischer Zeit ein. Diese Burg wurde 1653 planmäßig demoliert und die Steine in die Domhütte zu Halberstadt verbracht.)).
Um die touristische Nutzung der Höhlenwohnungen in Langenstein kümmert sich heute der Verein Langensteiner Höhlenwohnungen e.V. Die restaurierten und zum großen Teil eingerichteten Höhlenwohnungen machen das Leben ihrer Bewohner für die Besucher erlebbar – und zu einem Erlebnis. Bei den kompetenten Führungen von Siegfried Schwalbe bleibt keine Frage über die vielfältige Geschichte des Ortes Langenstein unbeantwortet.
Unrühmliche Geschichte schrieb der Ort Langenstein vom April 1944 bis 1944 mit dem Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge. Dieses KZ war ein Außenlager des KZ Buchenwald. Hier waren mehr als 7000 Häftlinge interniert, von denen die meisten traurige Berühmtheit durch das KOMMANDO MALACHIT erlangten. Ihre Aufgabe war die Schaffung eines unterirdischen Stollens für die Produktion der JUNKERS WERKE. Das Kommando MAIFISCH hatte der Firma KRUPP zu dienen. Ein Teil der Häftlinge wurde bei der Annäherung der US Armee am 9. April 1945 in einen Todesmarsch in Richtung Norden gehetzt. Auch das gehört zur Geschichte Mitteldeutschlands!
Weiterführende Literatur:
Fischer-Fabian, S.
Preußens Krieg und Frieden – Der Weg ins Deutsche Reich
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Bergisch Gladbach, 2008
ISBN 978-3-404-64229-8