Zuletzt geändert am 8. Dezember 2012 von Birk Karsten Ecke
Das Mansfelder Land war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der bedeutendsten wirtschaftlichen Zentren Deutschlands und Bergbau und Industrieproduktion liefen auf Hochtouren. Die so genannten GOLDENEN ZWANZIGER JAHRE waren für die arbeitende Bevölkerung aber gar nicht so golden: Eine Währungsreform, hohe Reparationsforderungen der Entente-Mächte und eine handfeste Weltwirtschaftskrise waren eine hohe Belastung für die ohnehin hart arbeitenden Menschen.
So ist es letztlich nicht verwunderlich, dass die breite Masse der Menschen Anfang der 30er Jahre praktisch in zwei große extreme Lager gespalten war: Nationalsozialisten und Kommunisten. Obwohl die Arbeiter und Angestellten der Mansfeld AG in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht vergleichsweise privilegiert waren, war diese Zeit im Mansfelder Land geprägt durch Demonstrationen, bewaffnete Aufstände und Klassenkämpfe.
Einen Höhepunkt nahmen die Auseinandersetzungen Anfang Februar 1933. Der greise Feldmarschall und Reichspräsident Paul von Hindenburg ((Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg galt nach dem Ersten Weltkrieg als Held der siegreichen Schlacht von Tannenberg. Auf Grund seiner Popularität wurde folgender Spruch geprägt: Hindenburg mit viel Bravour ❖ Schickt die Russen in die Kur ❖ In Masuriens Schlamm und Mooren ❖ Stecken sie bis an die Ohren.)) – damals ein Idol für viele Deutsche – berief am 30.01.1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ((Hindenburgs Rolle im Zusammenhang mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ist bis heute nebulös. Hindenburg bezeichnete Hitler abschätzig als BÖHMISCHEN GEFREITEN. Dennoch geriet er in immer stärkere Abhängigkeit zu Hitler. Vielleicht konnte auch der abgebrühte Feldmarschall der Ausstrahlung des Verführers einer ganzen Generation nicht widerstehen.)). Dem Kabinett gehörten zu dieser Zeit nur drei Nationalsozialisten an: Adolf Hitler als Reichskanzler, Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann Göring als Minister ohne Geschäftsbereich. Bereits am 1. Februar – also nur zwei Tage später – löste Hindenburg den Reichstag auf. Die entsprechende Urkunde wurde auch von Hitler und Frick unterschrieben. In den darauf folgenden Tagen wurden die Deutschen durch eine Flut von Gesetzen und Verordnungen praktisch aller verfassungsmäßigen Grundrechte beraubt. Der Siegeszug des Nationalsozialismus begann.
Am 12. Februar 1933 – es war ein Sonntag – führte die SS-Standarte des Ludolf-Hermann von Alvensleben – genannt Bubi – einen Aufmarsch in Eisleben durch. Nach zeitgenössischen Berichten sollen etwa 500 SS- und SA-Männer mit feldmäßiger Ausrüstung – Feldspaten inbegriffen – durch Eisleben marschiert sein ((Der Feldspaten hat seit den Grabenkriegen an der Westfont des Ersten Weltkrieges eine besondere Symbolik. Im Grabenkampf Mann gegen Mann war er – wenn sonst nichts mehr ging – eine brutale und oft tödliche Hiebwaffe.)). Dieser Zug war zweifellos eine Demonstration der eigenen Stärke und des neuen Selbstbewusstseins nach der Auflösung des Reichstages und der eigenen Machtergreifung. Bereits während des Aufmarsches kam es zu Zwischenfällen mit Eisleber Bürgern, die sich weigerten, die Hakenkreuzfahne zu grüßen. Kommunisten, die offen gegen den Aufmarsch protestierten, wurden verprügelt.
Die SS- und SA-Männer bewegten sich in Richtung KLASSENKAMPFHAUS – das war die Geschäftsstelle der KPD in Eisleben am Breiten Weg. Der Polizeikommissar Überschär versuchte, mit seinen Leuten, den wütenden Zug der Nationalsozialisten aufzuhalten. Das konnte ihm bei der Übermacht allerdings nicht gelingen. Zu diesem Zeitpunkt eskalierte die Gewalt – es fielen die ersten Schüsse und Polizisten wurden einfach abgedrängt. Der Zug bewegte sich nun Richtung Ludwig-Jahn-Turnhalle, die sich gleich hinter der Geschäftsstelle der KPD befand.
Dort fand gerade eine von der KPD organisierte Jugendweiheveranstaltung statt. Die SA- und SS-Leute verschafften sich gewaltsam Eintritt in die Turnhalle. Die dort befindlichen Erwachsenen Teilnehmer der Jugendweihe bildeten einen Ring um die Minderjährigen und versuchten sie damit zu schützen. Die eindringenden Horden schossen allerdings sofort auf die Jugendweiheteilnehmer und schlugen – insbesondere mit ihren Feldspaten – brutal auf diese ein. Der Überfall forderte erst einmal zwei Todesopfer. Der schwer verletzte Bergmann Hans Seidel wurde noch in das Bergarbeiterkrankenhaus eingeliefert, verstarb am folgenden Tag. Er war bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Der spätere Erste Sekretär der Bezirksleitung Halle der SED und Mitglied des Staatsrates der DDR, Bernhard Koenen verlor ein Auge.
Auch wenn Zeitungen über den brutalen Überfall berichteten, fanden diese Artikel kaum Beachtung in der Bevölkerung. Die Kommunisten wollten die Demokratie durch eine Diktatur des Proletariats ersetzen. Das war insbesondere für Sympathisanten der SPD – aber auch für andere Demokraten – untragbar, denn es hätte unweigerlich ein Schreckensregime das andere ersetzt, mit ähnlichen Repressalien. Die Versprechungen der Nationalsozialisten waren offenbar so verlockend, dass die NSDAP bei den Reichstagswahlen am 5. März zwar die absolute Mehrheit verfehlte, aber dennoch einen achtbaren Erfolg erzielte. Einstweilen war der Sieg des nationalsozialistischen Regimes jedenfalls nicht aufzuhalten.
Der als EISLEBER BLUTSONNTAG in die Geschichte eingegangene Überfall forderte 3 Tote und 25 Schwerverletzte. Die drei Toten waren Walter Schneider, Hans Seidel und Otto Helm. In der DDR schließlich wurden etliche der SA- und SS-Männer zu hohen Haftstrafen verurteilt (siehe auch: http://www1.jur.uva.nl/junsv/ddr/files/ddr1403.htm). Die drei Todesopfer des Blutsonntages bekamen am 8. Juli 1945 eine würdevolle Ruhestätte auf dem Alten Friedhof – dem campo santo – eine würdige Ruhestätte.
Weiterführende Literatur:
Eberle, H. und Uhl, M. (Hrsg.)
Das Buch Hitler
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG Bergisch Gladbach 2005
ISBN 978-3-404-64219-9